Tonart ist die Bestimmung des Tongeschlechts (ob Dur oder Moll) und der Tonstufe, auf welcher ein Stück seinen Sitz haben soll. Statt unserer heutigen beiden Tongeschlechter nahmen die Alten (Griechen, Römer, Araber, Inder, das Abendland im Mittelalter) deren eine größere Anzahl an (vergleiche Griechische Musik, Araber, Kirchentöne). Über die Bedeutung dieser verschiedenen Oktavengattungen wie der Tonleitern überhaupt vergleiche Tonleiter. Jede Oktavengattung kann beliebig transponiert werden, d. h. dieselbe Intervallfolge kann von jedem Ton aus gebracht werden. Schon die Griechen hatten 15 Transpositionsskalen, die Kirchentöne wurden freilich lange Zeit nur in die Quarte und erst später auch in die Quinte transponiert. Die Einführung noch mehrerer Transpositionen im 16.-17. Jahrhundert war schon das Anzeichen des Untergangs der alten Lehre.
Tonart, die Darstellung eines der beiden Tongeschlechter (des Dur- und Mollgeschlechts) auf einem beliebigen Ton unseres Tonsystems. Soviel letzteres also Töne hat, soviel gibt es in jedem der beiden Geschlechter Tonarten. Nimmt man die Töne
c-cis-d-dis-e-f-fis-g-gis-a-ais-h
so erhält man schon 12 Dur- und 12 Molltonarten. Da aber jeder Ton mehrfach enharmonisch umgenannt werden kann, zum Beispiel es statt dis, fes statt e etc., so kommt noch eine größere Anzahl von Tonarten heraus, die indessen alle mit den obigen enharmonisch gleich sein würden und deren Aufzählung hier überflüssig ist.
Als Normal- oder Haupttonart gilt für das Durgeschlecht die Tonart von C, für das Mollgeschlecht die von A. Alle übrigen sind nur transponierte von diesen.
Tonart. Diejenige Stufenfolge der Töne, die teils unseren Gesangsorganen die bequemste, teils aber auch unserem Ohre die angenehmste ist, und die man die diatonische Tonfolge nennt, hat das Eigentümliche, dass ihre Stufen nicht alle von gleicher Größe sind, sondern dass die Folge einiger größerer Stufen immer durch eine kleinere unterbrochen wird, und zwar dergestalt, dass sich in dem Raum einer Oktave jederzeit fünf große und zwei kleine Stufen befinden. Man ist gewohnt, diese größeren Stufen ganze Töne [Ganztonschritte], die kleineren aber halbe Töne [Halbtonschritte] zu nennen.
Die bestimmte Lage, welche die beiden halben Töne zwischen den übrigen fünf ganzen Tönen bei einer solchen diatonischen Tonreihe haben, bei welcher einer dieser Töne als der erste oder [bzw.] als Grundton der übrigen angenommen wird, macht den Unterschied der Tonarten aus.
Ehe wir aber die anjetzt [um 1800] gebräuchlichen Tonarten näher betrachten, muss zuvor das Notwendigste von den alten Tonarten erinnert werden. Unter den Tonarten der Alten versteht man diejenigen, die schon von den alten Griechen auf die Römer und von diesen auf uns gekommen sind und bis gegen das Ende des 17. Jahrhunderts allgemein ausgeübt worden sind. Die meisten unserer Choralmelodien sind eigentlich in den alten Tonarten gesetzt. Aber viele derselben sind nach und nach an verschiedenen Stellen nach unseren modernen Tonarten modifiziert worden, so, dass anjetzt nur noch wenige vorhanden sind, die dem Gebrauch der alten Tonarten völlig entsprechen.
Weil in der stufenweisen Folge der natürlichen Töne, nämlich in der Tonreihe
c-d-e-f-g-a-h-c
sich die bestimmte Lage der halben Töne jederzeit ändert, sobald ein anderer dieser Töne als der erste oder Grundton der übrigen angenommen wird, so würden die Alten eigentlich sieben verschiedene Haupttonarten gehabt haben. Allein weil der Ton h, wenn er als Grundton angenommen werden sollte, in dem Tone f keine reine Quinte fand, so wurde die Tonart, die er als Grundton gemacht haben würde, als unbrauchbar angesehen, und man bediente sich daher nur der übrigen sechs Töne zu Grundtönen der Tonarten, die man zum Unterschiede mit den Namen derjenigen griechischen Provinzen bezeichnete, in welchen sie am gewöhnlichsten ausgeübt sein sollen.
So wurde zum Beispiel diejenige Tonreihe, in welcher die beiden halben Töne zwischen der zweiten und dritten und zwischen der sechsten und siebten Stufe liegen, und deren Tonfolge unserer Tonreihe
d-e-f-g-a-h-c-d
entspricht, die Dorische Tonart genannt. Weil sich aber die Griechen bei ihrem Gesang keines so großen Umfanges der Töne bedienten, wie man heutzutage gewohnt ist, sondern mit ihrer Melodie bloß in dem Umfange einer Oktave blieben, so wurden ihre Tonarten auf zweierlei Art gebraucht: entweder so, dass sich der Gesang zwischen den Grenzen der Tonika und ihrer Oktave aufhielt, oder so, dass er zwischen der Dominante und ihrer Oktave enthalten war. Diese Einrichtung war vielleicht deswegen nötig, damit jedermann nach dem Umfang seiner Stimme in jeder Tonart singen konnte. Hierdurch entstanden bei einem und ebendemselben zum Grundtone liegenden Haupttone zwei verschiedene Oktavenreihen, nämlich
diejenige, bei welcher die Tonika selbst mit ihrer Oktave die Grenzen der Melodie ausmachte, wie zum Beispiel bei der vorhin schon genannten Dorischen Tonart d-e-f-g-a-h-c-d, und
diejenige, bei welcher die Dominante mit ihrer Oktave den Umfang der Töne ausmachte, in welcher sich die Melodie aufhalten musste und bei welcher der Hauptton selbst in der Mitte stand; z. B. wenn die Melodie der Dorischen Tonart, deren Tonika d ist, in den Umfang der Töne a-h-c-d-e-f-g-a eingeschlossen war.
Im ersten Falle wurde die Tonart authentisch (echt oder selbstständig) genannt; im zweiten Falle aber pflegte man sie plagalisch (entlehnt, hergeleitet) zu nennen und sie von der authentischen durch das Beiwort hypo (unter, unten) zu unterscheiden, weil der Umfang der Töne derselben in dem Tonsystem eine Quarte tiefer liegt, als der Umfang der authentischen Tonart.
die Dorische, modus Dorius, in welcher die beiden halben Töne zwischen der 2. und 3. und zwischen der 6. und 7. Stufe liegen, wie zum Beispiel in der Oktavenreihe d-e-f-g-a-h-c'-d'. Ein Beispiel einer Melodie in dieser Tonart gibt uns der Choral "Auf meinen lieben Gott trau ich…".
die Phrygische, modus Phrygius, in welcher die halben Töne zwischen der 1. und 2. und zwischen der 5. und 6. Stufe liegen, als e-f-g-a-h-c'-d'-e'. Die Melodie des Liedes "Ach Herr mich armen Sünder…" ist in dieser Tonart gesetzt.
die Lydische, modus Lydius, in welcher die halben Töne zwischen der 4. und 5. und zwischen der 7. und 8. Stufe liegen, als f-g-a-h-c'-d'-e'-f'. Aus dieser alten Tonart sind keine Choralmelodien mehr vorhanden, weil sie schon länger als vor 200 Jahren [= ca. 1600] ausgeartet, der Ton b in derselben aufgenommen und solchemnach [sic] eine transponierte Ionische Tonart daraus entstanden ist.
die Mixolydische, modus Mixolydius, in welcher die halben Töne zwischen der 3. und 4. und zwischen der 6. und 7. Stufe liegen, als g-a-h-c'-d'-e'-f'-g'. Die Melodie zu dem alten Kirchengesange "Ach wir armen Sünder, unsere Missethat%hellip;" ist in dieser Tonart gesetzt.
die Äolische, modus Aeolius, in welcher die halben Töne zwischen der 2. und 3. und zwischen der 5. und 6. Stufe liegen, als a-h-c'-d'-e'-f'-g'-a'. Der Choral "Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ…" ist in dieser Tonart gesetzt.
die Ionische, modus Ionius, in welcher die halben Töne zwischen der 3. und 4. und zwischne der 7. und 8. Stufe liegen, als c-d-e-f-g-a-h-c'. Ein Beispiel dieser Tonart gibt uns der Choral "Ein feste Burgh ist unser Gott…".
sechs plagalische oder Nebentonarten, als
die Hypodorische oder Unterdorische, modus Hypodorius, wenn bei der Grundlage der Dorischen Tonart die Dominante derselben mit ihrer Oktave den Umfang der Töne der Melodie begrenzt, als A-H-c-d-e-f-g-a. Der Choral "Helft mir Gott's Güte preisen…" gibt ein Beispiel eines Gesanges in dieser Tonart.
die Hypophrygische, modus Hypophrygius, wenn die Quinte der Phrygischen Tonart mit ihrer Oktave den Umfang der Töne der Melodie bestimmt, als H-c-d-e-f-g-a-h; wie z. B. in dem Choral "Erbarm dich mein, o Herre Gott…".
die Hypolydische, modus Hypolydius, wenn die Quinte der lydischen Tonart mit ihrer Oktave den Umfang der Töne der Melodie bestimmt, als c-d-e-f-g-a-h-c'. In dieser Tonart sind eben so wenig wie in ihrer Haupttonart Choralmelodien vorhanden.
die Hypomixolydische, modus Hypomixolydius, wenn die Quinte der Mixolydischen Tonart mit ihrer Oktave den Umfang der Melodie bestimmt, als d-e-f-g-a-h-c'-d'. Der Choral "Dieß sind die heilgen zehn Gebot…" ist in dieser Tonart gesetzt.
die Hypoäolische, modus Hypoaeolius, wenn die Quinte der Äolischen Tonart mit ihrer Oktave den Umfang der Töne der Melodie bestimmt, als e-f-g-a-h-c'-d'-e'. Der Choral "Allein zu dir, Herr Jesu Christ…" ist in dieser Tonart gesetzt.
die Hypoionische, modus Hypoionicus, wenn die Quinte der Ionischen Tonart mit ihrer Oktave den Umfang der Melodie bestimmt, als G-A-H-C-d-e-f-g. Ein Beispiel einer Melodie in dieser Tonart gibt uns der Choral "Nun lob', meine Seele, den Herren…".
Die alten Schriftsteller weichen zuweilen in der Benennung dieser Tonarten voneinander ab. So wird z. B. die Ionische Tonart auch modus Jastius, die Hypomixolydische auch modus Hyperjastius, die Hypoäolische auch modus Hyperdorius genannt.
Bei flüchtiger Betrachtung dieser Tonarten scheinen einige derselben doppelt vorhanden zu sein. Die Dorische zum Beispiel hat die Lage ihrer halben Töne zwischen ebendenselben Stufen und besteht überhaupt genommen aus ebenderselben Oktavenreihe wie die Hypomixolydische. Allein bei jener ist d der Grundton, der die Tonführung bestimmt und mit welchem die Melodie geschlossen wird, in dieser hingegen ist es der Ton g. Übrigens konnten sowohl die authentischen, als auch die plagalischen Tonarten auf andere Grundtöne versetzt [transponiert] und auf denselben ausgeübt werden.
Nachdem Jahrhunderte zuvor diese alten griechischen Tonarten auf die Römer gekommen waren, wählte der Mailändische Bischof Ambrosius in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts die vier ersten der angezeigten authentischen Tonarten zur Einrichtung des Choralgesanges in der christlichen Kirche. Deswegen wird auch in alten Schriften der Choralgesang zuweilen der Ambrosianische Gesang genannt. Heutzutage [um 1800] aber versteht man darunter gemeiniglich das Te Deum laudamus. Zu Ende des sechsten Jahrhunderts aber wurde auf Veranlassung des Papstes Gregorius Magnus der Choralgesang nicht allein verbessert, sondern es wurden auch dabei zugleich die vier ersten der oben genannten plagalischen Tonarten eingeführt. Daher pflegt man den Choralgesang nocht oft den Gregorianischen Gesang zu nennen, und eben daher werden die vorhin angezeigten vier ersten authentischen und plagalischen Tonarten die acht Kirchentöne genannt (siehe Kirchentöne).
Von diesen alten Tonarten hat man nur die Ionische und Äolische in unsere moderne Musik übergetragen. Die Ursachen, warum die übrigen vernachlässigt worden sind, mögen wohl teils in der Verbesserung des Tonsystems, teils und hauptsächlich aber auch in der höheren Kultur der Harmonie zu suchen sein. Unter allen alten Tonarten sind die Ionische und Äolische ohne Zweifel diejenigen, bei welchen vermittelst der Harmonie die Stufen der Tonleiter sowohl unter sich, als auch auf ihren gemeinschaftlichen Grundton die genaueste Beziehung bekommen. Wenn mit einem Gesang aus der Ionischen Tonart oder aus unserer harten [= Dur] Tonleiter
c-d-e-f-g-a-h-c
Harmonie vereinigt werden soll, so verursacht die dieser Tonart eigentümliche Lage der halben Töne, die zwischen die dritte und vierte und zwischen die siebte und achte Stufe fallen, dass nicht allein die tiefere Stufe des ersten halben Tones, nämlich der Ton e, eine große Terz gegen den Grundton selbst, sondern auch die tiefere Stufe des zweiten halben Tones, der Ton h, eine große Terz gegen die Dominante der Tonart, das heißt, gegen den Ton g macht. Dadurch fällt sowohl auf den Grundton der Tonart, als auch auf seine Dominante ein harter [Dur-]Dreiklang, wodurch das Gefühl der großen Terzen in dieser Tonart herrschend wird. Jedoch würde dieser Umstand allein die genaueste Beziehung aller Töne der Tonart untereinander noch nicht bewirkt haben, wenn nicht auch zugleich die vierte Stufe f in dem Tone a ebenfalls ein große Terz gefunden hätte. Da aber dieses geschieht, so sind nun alle Grundakkorde der Tonart Dreiklänge von einerlei Gattung, nämlich harte [Dur-]Dreiklänge, und alle Töne der Tonart sind in diesen drei harten Dreiklängen enthalten und haben nun die möglichst genaueste Beziehung aufeinander.
Ein ähnliche Bewandtnis hat es auch mit der Äolischen Tonart oder [bzw.] mit unserer weichen [Moll-]Tonleiter
a-h-c-d-e-f-g-a
In dieser liegen die beiden halben Töne zwischen der zweiten und dritten und zwischen der fünften und sechsten Stufe. Durch diese Lage der halben Töne macht das höhere Ende des ersten halben Tons, nämlich der Ton c, gegen den Grundton a, das höhere Ende des zweiten halben Tons aber, nämlich f, gegen die vierte Stufe d eine kleine Terz. Die Dominante e aber (deren Terz in dieser Tonart gleichsam in Rücksicht auf die Lage der halben Töne zufällig zu sein scheint) findet ihre kleine Terz in dem Tone g. Es fallen daher auch in dieser Tonart die weichen Dreiklänge, durch welchen das Gefühl der kleinen Terz herrschend wird, ebenfalls so, wie in der harten, auf den Grundton und auf dessen vierte und fünfte Stufe, und alle Töne dieser weichen Tonart sind in diesen weichen Dreiklängen enthalten.
Bei keiner der übrigen alten Tonarten konnte dieser genaue Zusammenhang erhalten werden. Da nun noch überdies in der harten Tonart die große Terz, in der weichen aber die kleine den Unterscheidungscharakter derselben ausmacht, und keine dritte Gattung konsonierenden Terz vorhanden ist, durch welche eine dritte Haupttonart ihren Unterscheidungscharakter hätte erhalten können - so mochten dieses wohl die vorzüglichsten Ursachen gewesen sein, warum die übrigen vier alten authentischen Tonarten nicht mit in die moderne Musik verflochten worden sind.
So wenig man nun leugnen kann, dass unsere beiden modernen Tonarten weit vollkommener sind, als die alten, ebenso wenig kann geleugnet werden, dass die gänzliche Vernachlässigung der letzten, besonders im Kirchenstil, wegen der hohen Simplizität, die vielen Tonführungen derselben eigen ist, und die der Kirchenmusik so sehr entspricht, für die Kunst sehr nachteilig ist.
Unsere beiden modernen Tonarten sind also Abkömmlinge der alten Ionischen und Äolischen Tonarten. Ihr Unterschied, bloß in melodischer Rücksicht betrachtet, besteht ebenfalls, so wie bei den alten Tonarten, in der Verschiedenheit der Lage der beiden halben Töne, die so beschaffen ist, dass die Tonika der harten [Dur-]Tonart zu einer großen, die Tonika der weichen [Moll-]Tonart aber zu einer kleinen Terz fortschreitet. Weit mehr Bestimmtheit in Rücksicht auf das, was man hart oder weich nennt, das heißt, in Rücksicht auf die Oberherrschaft der großen oder kleine Terz, bekommen unsere Tonarten erst durch den Gebrauch der Harmonie, denn es ist schon oben gezeigt worden, wie es zugehe, dass in der harten Tonart die harten Dreiklänge, in der weichen Tonart hingegen die weichen Dreiklänge die herrschenden Grundakkorde werden. Wieviel die Harmonie zur Bestimmtheit unserer beiden Tonarten beitrage, kann man besonders daraus sehen, dass oft ein und ebenderselbe melodische Satz vermittelst der Verschiedenheit der harmonischen Begleitung sowohl in der harten, als auch in der weichen Tonart gebraucht werden kann.
So wird zum Exempel die Tonfolge e | d c f e | d c h bei Fig. 1 [siehe nachfolgendes Notenbeispiel] durch die sie begleitende Stimme zu einem Satz in der harten, bei Fig. 2 aber zu einem Satze in der weichen Tonart.
Melodie in Dur versus Moll harmonisiert
Bei der weichen Tonart ist noch zu bemerken, dass ihr in ihren ursprünglichen Tönen das sogenannte Subsemitonium modi, der unterhalbe Ton [Leitton] der Tonart mangelt, ohne welche in unserer modernen Musik keine Tonart brauchbar ist. Es muss daher die ursprüngliche kleine siebente Stufe [kleine Septime] der weichen Tonart in gewissen Fällen um einen kleinen halben Ton erhöht werden, damit die Tonart ihren unterhalben Ton [Leitton] bekomme. Dieses geschieht gewöhnlich
bei der Kadenz, z. B. bei Fig. 3
wenn ein Absatz auf der Dominante gemacht wird, wie z. B. bei Fig. 4
wenn man aus der siebenten Stufe hinauf in die Tonika fortschreitet, z. B. bei Fig. 5
der Leitton in Moll
Weil aber im letzten Falle die der weichen [Moll-]Tonart eigene kleine sechste Stufe, wenn sie dem unterhalben Ton vorhergeht oder nachfolgt, einen Fortschritt von einer übermäßigen Sekunde macht, welcher der Natur der diatonischen nicht angemessen ist, so wird diese kleine sechste Stufe ebenfalls um einen kleinen halben Ton erhöht, damit die Eigenschaft der diatonischen Fortschreitung beibehalten werde. Daher kommt es, dass man in der aufsteigenden weichen Tonleiter jederzeit die große sechste und siebte Stufe braucht, z. B. in A-Moll:
a-h-c-d-e-fis-gis-a
Absteigend hingegen bedient man sich der kleinen sechsten und siebten Stufe, weil in diesem Fall der unterhalbe Ton der Tonart nicht unumgänglich nötig ist, als
a-g-f-e-d-c-h-a
Es ist schon in dem Artikel Temperatur erinnert worden, das unsere moderne Musik [um 1800!] durch die Einführung einer schwebenden Temperatur der Töne den Vorteil gewonnen hat, dass unser Ohr den harten und weichen Dreiklang auf jedem Tone des Tonsystems als rein und brauchbar anerkennt. Daher kann sowohl die harte, als auch die weiche Tonart auf allen Tönen ausgeübt werden, und wir erhalten solchemnach [sic] die harte und weiche Tonart in zwölf verschiedenen Gestalten - und also zusammen 24 voneinander verschiedene Tonarten, als: C-Dur und A-Moll G-Dur und E-Moll D-Dur und H-Moll A-Dur und Fis-Moll E-Dur und Cis-Moll Fis-Dur und Dis- oder Es-Moll Cis- oder Des-Dur und B-Moll As-Dur und F-Moll Es-Dur und C-Moll B-Dur und G-Moll F-Dur und D-Moll
Welche Veränderung bald mit diesem, bald mit jenem natürlichen Tone vorgenommen werden muss, wenn man die harte oder weiche Tonart auf einen anderen Grundton versetzt, und was für Kreuze [♯] und B [♭] bei dem Gebrauch dieser versetzten [transponierten] Tonarten vorgezeichnet werden müssen, findet man in dem Artikel Vorzeichnung.
Ob nun gleich unsere vierundzwanzig Tonarten weiter nichts sind, als Versetzungen der beiden Haupttonarten auf andere Grundtöne, so verursacht dennoch teils die schwebende Temperatur der Töne, teils auch das Eigentümliche verschiedener Instrumente, dass jede dieser 24 Tonarten eine ganz eigene Schattierung bekommt, wodurch sie sich von den übrigen gar merklich auszeichnet. Daher haben einige dieser Tonarten mehr Fülle und Einschneidendes, andere mehr Sanftheit und dergleichen Eigenschaften. Eben daher ist es aber auch nicht gleichgültig, ob der Tonsetzer [Komponist] zum Ausdrucke einer bestimmten Empfindung die harte oder weiche Tonart auf diesem oder jenem Grundtone ausübt. Weil jede Tonart ihre eigene Tonleiter hat, die sich wegen der Temperatur der Töne in Ansehung der Verhältnisse ihre Stufen bald mehr, bald weniger von allen anderen Tonarten unterscheidet, so kann es nicht fehlen, dass dadurch auch jede dieser Tonarten ihren eigentümlichen Charakter bekomme, der gegen die anderen Tonarten mehr oder weniger absticht. Den Charakter dieser Tonarten kann man ohne Schwierigkeit übersehen lernen, wenn man sowohl die harten als weichen Tonarten nach den Graden ordnet, in welchen die Verhältnisse ihrer Intervalle (nach Maßgabe der Temperatur) von den ursprünglichen Interfall-Verhältnissen abweichen (siehe Tabelle unter Tonleiter), nämlich: unter den Durtonarten sind C, G, D, F am reinsten, A, E, H, Fis härter, B, Es, As, Des am härtesten; unter dem Molltonarten sind A, E, H, D am reinsten, Fis, Cis As, Des weicher, C, G, F, B am weichsten.
"Es ist gewiß", sagt Sulzer (in dem Artikel Ton), dass die reinsten Töne zum pathetischen Ausdrucke wenig geschickt, hingegen zur Belustigung, zum lärmenden und kriegerischen, zum gefälligen, zärtlichen, scherzhaften, oft zum bloß ernsthaften Ausdrucke am besten zu gebrauchen sind. Die weniger reinen Töne sind nach dem Grade ihrer wenigern Reinigkeit allezeit wirksamer zu vermischten Empfindungen, deren Ausdruck in den härtesten Dur- und den weichsten Molltönen von der gewaltsamsten Wirkung ist. Hieraus erhellet hinlänglich, daß der Tonsetzer nicht bloß in der Wahl der Tonart, ob er die harte oder weiche zu nehmen habe, sondern auch des Tones selbst, sorgfältig seyn müsse. Die Stücke derer, die eine solche sorgfältige Wahl getroffen haben, lassen sich deswegen nie ohne Schaden in andere Töne versetzen, deren Reinigkeit merklich von der verschieden ist, nach der sie ursprünglich gesetzt worden."
Alles, was zu der historischen Kenntnis der alten Tonarten gehört, findet man in Forkels allg. Geschichte der Musik. Diejenigen aber, welche die Behandlung derselben im Satze näher kennenlernen wollen, finden dazu Gelegenheit in dem Gradus ad Parnassum von Fux, in Prinzens satyrischem Componisten, in Murschhausers hohen Schule der Composition und in Voglers Choralsysteme. [Koch Musikalisches Lexikon 1802, 1541ff]
Tonart. Das Verhältnis der untereinander zu einem Tonstücke verbindungsfähigen Töne, welches aus ihrem gemeinschaftlichen Grundtone hervorgeht, oder die bestimmte Größe der Tonstufen, insofern sie bei ihren Verbindungen zu einem Ganzen von einem dazu angenommenen Grundtone abhängt, wird eine Tonart genannt. […] [Koch Handwörterbuch Musik 1807, 363]
Tonart (lateinisch: modus, französisch und englisch: mode) nennen wir die besondere Ordnung, nach welcher die künstlerisch verwendbaren Töne unter fortwährender Bezugnahme auf einen gewählten Grundton gebracht werden.
In dem Bestreben, Ordnung in das gesamte Tonmaterial zu bringen, entstand die Tonleiter. Wird nun eine derartige, in sich fest bestimmte und gegliederte Tonreihe dem künstlerischen Schaffen derartig zu Grunde gelegt, dass dies durchaus dadurch beeinflusst wird, so wird die Tonleiter zur Tonart, deren natürlichen und unerlässlichen Bedingungen auch das betreffende Kunstwerk entspricht. Alle Völker, welche daher die Tonleiter ihrem künstlerischen Schaffen zu Grunde legten, wurden auch auf das System der Tonarten geführt (siehe Tonleiter). [Reissmann Handlexikon 1882, 562]