Musiklexikon: Was bedeutet Dominante?

Dominante (1873)

Dominante (lateinisch: Dominans sc. tonus), der herrschende Ton, heißt im Allgemeinen derjenige Ton, welcher über dem Grundton (der Tonika) sich besonders bemerklich macht. Im modernen Harmoniesystem ist es die Quinte der Tonart, von älteren Lehrern lateinisch Quinta toni genannt.

Man unterscheidet für jede Tonart eine Ober- und Unterdominante, letztere früher Quarta toni genannt, je nachdem man die fünf Stufen vom Grundton aus nach oben oder nach unten abzählt. So ist zum Beispiel die Oberdominante von C auf g, die Unterdominante von C auf f. Für gewöhnlich aber versteht man unter Dominante schlechtweg die Oberdominante, auch Hauptdominante genannt. Auf der letzteren befindet sich jedesmal die Modulation der Tonart und deshalb ist sie derjenige Bestandteil, welcher einen vorherrschenden Charakter erhält. Um die Dominante einer Tonart von Dominanten verwandter Tonarten (Nebendominanten), in welche man ausgewichen ist, zu unterscheiden, nennt man sie als Quinta der Haupttonart: tonische Dominante. Ihre Hauptbedeutung liegt in diesem Quintenverhältnis zum Grundton und darin, dass sie zugleich harmonischer Mittelpunkt der Oktave ist. Auf dem Dominantverhältnis beruht die nächste Verwandtschaft unserer modernen Musik [19. Jh.]. Der Tonartenzirkel wird quintenweise entwickelt, wobei die nächstfolgende, um eine Quinte höhere (oder Quarte tiefere) Tonart stets als Dominante der vorhergehenden erscheint, bis endlich mit der zwölften Quinte der Anfangston wieder erreicht wird [Quintenzirkel]. Ähnlich ist das Verwandtschaftsverhältnis der Tonarten nach Seiten der Unter- oder Subdominante hin. Der Zirkel [Quartenzirkel] der Tonarten wird ebenso durch fallende Quinten (steigende Quarten) durchmessen. Nach der Oberdominantseite erscheinen die Tonarten mit Kreuzen, nach der Unterdominantseite mit Been. Siehe Tonart.

Im gregorianischen Tonsystem war der Begriff der Dominante von der eben entwickelten Bedeutung wesentlich verschieden. Dort nahm die Dominante keine bestimmte, sondern eine verschiedene Stufe ein. In Folge dessen war der herrschende Ton derjenige, welcher über dem Finalton am bezeichnendsten hervortrat und namentlich im Psalmengesang am meisten gehört wurde. Im ersten Kirchenton war dies die Quinte, im zweiten die Terz über der Finale D; im dritten die Terz, im vierten die Quarte über der Finale E; im fünften die Quinte und im sechsten die Terz über der Finale F; im siebenten die Quinte und im achten die Quarte über der Finale G. [Mendel Musikalisches Lexikon 1873, 200]

Dominante (1879)

Dominante (lat.: Chorda dominans), der herrschende Ton, von den älteren Tonlehrern auch Quinta toni, die fünfte Stufe (Quinte) in der Leiter einer Tonart genannt, in sofern derselbe als Grundton, Grundbass eines Akkords betrachtet wird. Ihren Namen führt die Dominante daher, weil dieser fünfte Ton mit seinen Akkorden nächst der Tonika (dem Grundton einer Tonart) von allen anderen Tönen und ihren Akkorden in derselben Tonart der bei weitem vorherrschendste ist.

Dominantakkord ist daher im Allgemeinen jeder Dreiklang, Septimen- oder Nonenakkord, der auf der Dominanten, also der fünften Stufe einer Tonart basiert. Besonders aber wird der Septimenakkord auf der Dominante – mit großer Terz, großer Quinte und kleiner Septime – Dominantakkord genannt, als der wesentlichste Akkord, welcher die betreffende Tonart am deutlichsten anzeigt (siehe Akkord). Die Dominanten der Tonarten, in welche im Verlauf eines Tonstücks ausgewichen worden ist, werden Nebendominanten genannt, während die Dominante der Haupttonart den Namen tonische Dominante führt. Unter- oder Subdominante heißt die Quinte, welche vom Grundton einer Tonart abwärts gezählt wird, während die eigentliche Dominante (Oberdominante) vom Grundton aufwärts gerechnet wird. Es ist also zum Beispiel von C aus aufwärts der Ton g die eigentliche Oberdominante und abwärts der Ton f die Unterdominante. [Riewe Handwörterbuch 1879, 77]

Dominante (1865)

Dominante. Benennung zweier Tonstufen der Tonart, der Quinta Toni und Quarta Toni. Jene heißt Oberdominante oder Dominante schlechthin, diese Unterdominante.

a) Oberdominante,

quinta toni bei den Alten, reine Quinte, harmonischer Mittelpunkt der Oktave, vorzugsweise Dominante genannt, als herrschender Ton. Ihre wesentliche Bedeutung als solche liegt

  1. in ihrem Quintverhältnis zum Grundton. Das nächst dem Einklang (der Tonidentität) mit dem Grundton am vollständigsten übereinkommende Tonverhältnis ist die Oktave, durch ihre Saitenlänge 1 von der des Grundtons 2 nur in dem Verhältnis der Ähnlichkeit und Verschiedenheit einer Hälfte zu ihrem Ganzen 1:2 stehend. In der Quinte hingegen, als dem Verhältnis 2:3, zweier Drittteile zu einem Ganzen, ist bereits eine Trennung ausgesprochen. Die Oktave setzt zur Erfüllung eines Ganzen ein ihr völlig Gleiches voraus, die zweite Hälfte der Saite; die Quint etwas von ihr selbst Verschiedenes, das dritte Drittteil: Die Verschiedenheit der Oktave vom Grundton ist nur eine äußerliche, die der Quint hingegen schon innerer Art, der Fortschritt vom Grundton zur Quint erscheint bereits als entschiedene Bewegung und Trennung – und umgekehrt, die Rückbewegung von der Quinte zum Grundtone als Rückkehr zur Ruhe und Einheit. Indessen, dieses Bewegungsverhältnis zwischen Grundton und Quint, Tonika und Dominante, ist durch das einfache Zahlenverhältnis, in welchem die Saitenteile beider Stufen zueinander stehen, so natürlich und leicht fasslich, der Gegensatz der Quinte zum Grundton so nahe verwandt, und die Neigung jener zu diesem, eben als zu der Ausgleichung ihrer Trennung, so naturgemäß, dass unter allen Tonverbindungen eines Tonstückes Tonika und Dominante in erster Reihe aufeinander sich beziehen. Alle anderen Tonstufen der Tonart erscheinen der Tonika gegenüber ebenfalls (harmonisch aufgefasst) als Trennung und Bewegung, doch ist ihre Trennung bereits eine entferntere und eine dieselbe schließlich vollkommen ausgleichende Wiedervereinigung mit der Tonika bedarf einer Vermittlung, welche, wenigstens am letzten Schlusse, stets die Dominante zu übernehmen hat. Der
  2. Akkord der Dominante weist in erster Reihe auf den tonischen Dreiklang hin. Erfolgt eine Fortschreitung in einen anderen Akkord, so ist sie doch nichts als Unterbrechung der natürlichen Fortschreitung (Trugkadenz [Trugschluss]). Der tonische Dreiklang kann den Vorausgang des Dominantakkordes nicht entbehren, wenn es schließlich um vollständige Zurückführung der Bewegung zur Ruhe sich handelt: Der vollkommene Ganzschluss eines Tonstückes kann nur durch den dem tonischen Dreiklang vorausgehenden Dominantakkord vollzogen werden. Wird
  3. eine Modulation in eine andere Tonart unternommen, so geschieht es mittels des Dominantakkordes der einzuführenden Tonart – als denjenigen Akkord, der mit dem tonischen Dreiklang die wesentlichste Tonverbindung jeder Tonart überhaupt, also auch der neuen, ausmacht. Die
  4. nächste Verwandtschaft der Tonarten unserer modernen Musik, in welche die Dominante überhaupt diese umfassende Bedeutung erst erhalten hat, beruht auf dem Dominantverhältnis. Der Tonartenzirkel wird quintenweise entwickelt, wobei die nächstfolgende um eine Quint höhere (oder Quart tiefere) Tonart stets als Dominante der vorangegangenen erscheint, bis endlich mit der zwölften Quinte der Ausgangston wieder erreicht wird.

b) Die Unterdominante,

quarta toni, reine Quarte, arithmetisches Mittel der Oktave, der Tonart ebenfalls harmonisch wichtig als Grundton des dritten der drei Hauptakkorde, welche ihren Toninhalt und ihre harmonische Grundlage ausmachen. Einen Ganzschluss zu vollziehen, ist der Unterdominantdreiklang zwar nicht geeignet, sondern nur einen Halbschluss (Plagalkadenz); wohl aber den Ganzschluss zu vervollständigen, indem er dem Dominantakkord oder dem tonischen Quartsextakkord vorausgeht. Denn als charakteristische Quarte der Tonart unterschiedet die Unterdominante die Haupttonart von ihrer Dominanttonart (also als Quarte f von C, die Tonart C-Dur oder C-Moll von ihrer Dominanttonart G-Dur, welche nicht f sondern fis enthält), ähnlich wie der Dominantakkord durch seine große Terz die Haupttonart von der Unterdominanttonart unterscheidet, weil der Ton h C-Dur oder C-Moll, aber nicht F-Dur oder F-Moll angehört. Unterdominant- und Dominantakkord verbunden charakterisieren daher die Tonart mit unzweifelhafter Sicherheit. Dies bewerkstelligt aber auch schon der Dominantseptimenakkord allein, weil er zum Dominantakkord noch den Unterdominantton als kleine Septime enthält. Der Akkord D-Fis-A-C kann nur G-Dur oder G-Moll, weder D noch A oder einer anderen Tonart angehören, da er sonst nirgend als leitereigener Akkord vorkommt (siehe Akkord).

In einem Tonstück ist die Tonika der Mittelpunkt, von dem die Bewegung ausgeht. In ihrer Wendung nach der Oberdominante macht ein gewisses Steigen und in ihrer Wendung nach der Unterdominante ein gewisses Fallen der Bewegung sich fühlbar. Über die Theorie einer Charakteristik der Tonarten, welche A. B. Marx auf diesen Umstand gegründet hat, vergleiche Tonart (Anmerkung 16). Das Verwandtschaftsverhältnis der Tonarten nach der Unterdominantseite ist ein ähnliches wie das nach der Oberdominantseite, der Zirkel der Tonarten wird ebenso durch fallende Quinten (steigende Quarten) wie durch steigende Quinten (fallende Quarten) durchmessen. Nach der Unterdominantseite erscheinen die Tonarten mit Been [sic. ♭], nach der Oberdominantseite die Tonarten mit Kreuzen. Vergleiche auch Tonart. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 244f]

Dominante, Oberdominante (1882)

Dominante (Oberdominante) heißt der fünfte Ton (die Quinte) der Tonart, in neuerer Zeit auch der Dreiklang, der auf demselben seinen Sitz hat. Unterdominante [Subdominante] heißt der unter der Dominante liegende Ton; diese Benennungen sind rein äußerlich von der Lage der Töne in der Skala abstrahiert. In C-Dur heißen:

Die neuere Auffassung berücksichtigt dagegen die harmonische Verwandtschaft, sieht in G-Dur die Oberquinte, in F-Dur die Unterquinte der Tonika und verweist die übrigen Töne in die Durakkorde der drei Haupttöne:

Oberdominante (Riemann 1882)

Vergleiche Durtonart und Molltonart. [Riemann Musik-Lexikon 1882, 212]

Dominante, dominans (1882)

Dominante (lat. dominans sc. tonus) = der herrschende Ton, die Quinte, so genannt, weil durch sie die Bewegung der Tonleiter und Tonart hauptsächlich beherrscht wird. Diese Bewegung wendet sich ebenso nach oben wie nach unten, und deshalb unterscheiden wir eine Ober- und eine Unterdominante. [Reissmann Handlexikon 1882, 111]

Dominante, Dominans, Quinta toni (1840)

Dominante, Dominans, Quinta toni, die herrschende Saite, die Quinte. Die fünfte Stufe der Tonart, in welcher sich jedesmal die Modulation befindet. Um sie von Dominanten verwandter Tonarten (Nebendominanten), in welche man ausgewichen ist, zu unterscheiden, nennt man sie, als Quinte der Haupttonart, tonische Dominante. Im Gegensatze zur Unterdominante (d. h. der Quinte abwärts gezählt, also der Quarte des Grundtones) wird sie auch Oberdominante genannt. So ist z. B. vom Grundton c die Unterdominante f und g die Oberdominante. [Gathy Encyklopädie Musik-Wissenschaft 1840, 99]

Dominante, die herrschende Saite (1807)

Dominante, die herrschende Saite. Es wird darunter die fünfte Stufe oder die Quinte derjenigen Tonart verstanden, in welcher sich die Modulation befindet und die von den älteren Tonlehrern quinta toni genannt wurde.

Den Namen Dominante scheint diese Stufe deswegen erhalten zu haben, weil sie in der Grundstimme (auf deren Beziehung dieses Kunstwort am öftersten [sic] gebraucht wird), gemeiniglich noch öfterer gehört wird als der Grundton der Tonart selbst.

Es tritt oft der Fall ein, dass man, um verständlich zu sein, die Dominante der Grundtonart von der Dominante derjenigen Tonart, in welcher die Modulation hingeleitet worden ist, unterscheiden muss; in diesem Fall nennen die Theoristen [sic] die Dominante der Grundtonart die tonische Dominante.

In verschiedenen Fällen braucht man dieses Kunstwort auch in einem etwas eingeschränkteren Sinne und versteht darunter ausschließend bloß die fünfte Stufe der bei einem Tonstücke zum Grunde gelegten Haupttonart. Daher sagt man z. B., der erste Teil des Satzes schließt in der Dominante.

Die Theoristen reden auch zuweilen von einer Unterdominante und verstehen darunter die von dem Grundtone einer Tonart abwärts abgezählte fünfte Stufe oder die Quarta toni. [Koch Handwörterbuch Musik 1807, 115f]