Musiklexikon: Was bedeutet Dur?

Dur, durus (1882)

Dur (von lateinisch durus, "hart"), ursprünglich der Name für das eckige, harte B (B durum nach Riemann durum), zum Unterschied von dem runden, weichen ( molle, rotundum, vgl. B); ging zunächst auf das Hexachord g-e über (cantus durus), während f-d (mit ) cantus mollis hieß (siehe Mutation), und als die modernen Tonarten aufkamen (im 17. Jahrhundert), wurde die Tonart mit der großen Terz Dur genannt, die mit der kleinen dagegen Moll; denn noch um 1618 (Prätorius' Syntagma) war es üblich, z. B. das h im G-Dur-Akkord mit einem () zu versehen, zum Zeichen, dass die große und nicht die kleine Terz gemeint war. [Riemann Musik-Lexikon 1882, 230]

Dur (1865)

Dur, durale (von durus, hart).
A. Gegenwärtig

  1. diejenige Tonart und deren Transpositionen, in denen die große Terz und Sexte des Grundtons herrschend sind. Also zum Beispiel C-Dur, G-Dur, D-Dur etc. heißen Durtonarten. Demnach auch
  2. diejenige diatonische Skala, in welcher der diatonische Halbton auf der dritten und siebten Stufe sich befindet und die den Toninhalt der Durtonart in stufenweiser Ordnung vom Grundton zur Oktave auf dem Liniensystem darstellt, mithin ebenfalls mit großer Terz und Sexte erscheint. Diese Tonleiter heißt diatonische Durtonleiter.
  3. Der Dreiklang, welcher neben der reinen Quinte die große Terz enthält. Die Dreiklänge z. B. c-e-g, g-h-d, b-d-f etc. heißen Durdreiklänge.

B. Ehedem

  1. die um einen kleinen halben Ton erhöhte Stufe B, unser heutiges H. Im alten Tonsystem hatte keine Stufe zwei verschiedene Saiten, ausgenommen eben die Stufe B. Die tiefere von beiden Saiten betrug gegen den Grundton A eine kleine Sekunde, entsprach also unserem heutigen B, die höhere hingegen eine große Sekunde, unserem heutigen H gleichkommend. Jene, mit (b rotundum oder molle) bezeichnet, wurde B molle, diese, durch (b quadratum oder durum) ausgedrückt, B durum genannt. Wenn nun
  2. ein Gesang den Ton b enthielt, wurde er Cantus mollis oder Cantus b molli genannt; hingegen wenn nicht der Ton b, sondern ♮ (h) in ihm vorkam, Cantus durus oder Cantus ♮ duri genannt. Im System der Hexachorde waren die Hexachorde I. Γ [Gamma]-E, IV. G-e, VII. g-ee durale oder durum, eben weil sie kein ♭ sondern ♮ hatten (siehe Solmisation). So hießen auch
  3. die in natürlicher Lage notierten Kirchentöne und späteren Tonarten des 16. Jahrhunderts, in denen nur unser heutiges H als diatonische Stufe vorkam, das Systema durum (regulare); die um eine Quart höher versetzt notierten Toni ficti hingegen, in denen zur Herstellung des erforderlichen Stufenverhältnisses ♮ in ♭ verwandelt werden musste, das Systema molle (transpositum). Siehe Tonart. Unsere heutige Unterscheidung von Dur- und Molltonart muss man hierbei ganz bei Seite lassen. Der Modus dorius zum Beispiel, d-e-f-g-a-h-c, nach unserem heutigen Begriff Moll, gehörte, wenn er in seiner natürlichen Tonhöhe (also ohne ♭) notiert war, doch zum Systema durum. Der Jonicus transpositus hingegen, f-g-a-♭-c-d-e, unserem Begriff nach Dur, gehörte zum Systema molle, weil er ein am Schlüssel hat. Man sieht also, dass die Bedeutung, welche das Wort Dur bei den Alten hatte, von der, welche wir seit Reduktion der Kirchentöne auf unsere Dur- und Molltonart damit verbinden, völlig abweicht. Darum aber war ihnen das Dur und Moll in unserem Sinne noch keineswegs unbekannt, sie übten es ebenso gut aus wie wir, wenngleich sie ihre Tonarten nicht so deutlich in ein Dur- und Mollgeschlecht geschieden haben.
  4. Bei älteren Schriftstellern die Erhöhung eines einzelnen Tones durch ein . So heißt der Ton F♯ F dur, der Ton C♯ C dur, der mehreren Schärfe wegen, welche diese Halbtonerhöhung einem Tone erteilt, im Gegensatz zum ♭ molle, das den Ton erniedrigt und weicher macht.

[Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 271]

Dur (1840)

Dur, Durus, Maggiore, Majeur, hart wird diejenige der beiden Haupttonarten genannt, in welcher die große Terz vorherrschend ist.

Ehemals wurde mit diesem Beiworte die um einen kleinen halben Ton erhöhte zweite Stufe oder B-Saite (unser modernes H) bezeichnet, die einzige Stufe der älteren Tonleiter, die zwei verschiedene Saiten hatte - siehe Cantus durus. [Gathy Encyklopädie Musik-Wissenschaft 1840, 105f]

Dur (1802)

Dur. Mit diesem von dem lateinischen Worte durus (hart) abgekürzten Beiworte bezeichnet man anjetzt teils den Dreiklang mit der großen Terz, den man oft schlechtweg den Durakkord nennet; teils und hauptsächlich wird es auch zur Bezeichnung derjenigen unserer beiden Haupttonarten gebraucht, in welcher die große Terz des Grundtones herrschend ist, oder in welcher man von dem Grundtone vermittelst der großen Terz aufwärts steiget; daher sagt man z. B. die Tonart C-Dur, Es-Dur usw.

Vor diesem wurde mit diesem Beiworte

  1. die um einen kleinen halben Ton erhöhte B-Saite oder unser modernes h bezeichnet. In der Tonleiter der älteren Musik, die mit dem Tone A angefangen wurde, hatte keine Stufe zwei verschiedene Saiten, ausgenommen die zweite Stufe b. Eine dieser Saiten machte gegen den Grundton A einen ganzen Ton und war daher unserem h gleich. Jene wurde mit einem gewöhnlichen b bezeichnet und b moll genannt, diese aber bezeichnete man mit einem viereckigen b oder mit dem Zeichen und nannte sie b dur. Wenn nun zu jener Zeit ein Tonstück in Noten gesetzt wurde, so musste allemal angezeigt werden, ob der Ausführer die hohe oder niedere Saite der zweiten Stufe intonieren sollte, und dieses geschah vermittelst der Vorzeichnung des ♮ oder b. Machte es die Tonart nötig, dass b vorgezeichnet wurde, so nannte man den Gesang cantus mollis; war hingegen die Vorzeichnung des ♮ nötig, so wurde er cantus durus oder cantus b duri genannt. Daher wurde
  2. auch derjenige Gesang mit dem Ausdrucke dur bezeichnet, in welchem die höhere B-Saite oder unser modernes h gebraucht wurde.

Hier und da bezeichnet man noch bis jetzt [um 1800] mit dem Ausdrucke B-Dur unsere H-Saite und nennet die B-Saite zum Unterschiede B-Moll. [Koch Musikalisches Lexikon 1802, 505f]