Musiklexikon: Was bedeutet Cantus durus?

Cantus durus (1840)

Cantus durus, Gesang in einer harten [Dur] Tonart, oder in der Tonart der Alten [des Mittelalters], die das große B [unser heutiges H] enthielt. Die Alten hatten in ihrem Tonsystem noch keine veränderliche oder abhängige Töne, und nur für das jetzige H zwei Saiten, nämlich die kleine b- und die große B-Saite. Kam in der Tonleiter letzterer vor, so wurde sie zu Anfang des Tonstücks mit dem sogenannten viereckigen B oder B quadrat, ♮, vorgezeichnet, und der Gesang hieß Cantus b duri oder Cantus durus; Cantus b mollis oder Cantus mollis hingegen, wenn die kleine b-Saite gebraucht wurde.

Ferner nannte man insbesondere Cantus durus eine Melodie, die sich mit dem Hexachorde des Tones g, d. h. in den Tönen g-a-h-c-d-e bewegte und bei welcher nach den Regeln der Solmisation (siehe dort) auf den Ton g die Silbe ut gesungen wurde. Bewegte sich die Melodie in dem Hexachord des Tones c, so dass auf c die Silbe ut fiel, so nannte man sie insbesondere Cantus naturalis. Vergleiche "Tonarten der Alten". [Gathy Encyklopädie Musik-Wissenschaft 1840, 59]

Cantus durus (1865)

Cantus durus, Cantus B♮ duri nannte man in alten Zeiten einen Gesang, in welchem unsere heutige siebente Stufe (von C) nicht als B molle (, unser heutiges B), sondern als B durum (, unser H) ausgeübt wurde. Als Kennzeichen des Cantus durus pflegte man das ♮ durum an den Schlüssel zu setzen oder auch wegzulassen, indem das ♭ molle gemeinhin vorgezeichnet wurde, also das ♮ sich von selbst verstand, wenn keine Vorzeichnung am Schlüssel befindlich war. Im Hexachordsystem war das I., IV. und VII. Hexachord (G A H_C D E, in welchem auf dem Ton G stets die Silbe ut gesungen wurde) durum, weil es die H-Saite enthielt; eine Melodie, der dieses Hexachord zu Grunde lag, hieß Cantus durus (siehe Solmisation, Cantus mollis und Cantus naturalis). In späterer Zeit nannte man das System der in natürlicher Lage notierten Tonarten das Systema durum (naturale), weil in diesem System nur ♮, kein ♭ vorkam. Näheres hierüber unter Tonart und Dur. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 139f]