Dur (1865)

Dur, durale (von durus, hart).
A. Gegenwärtig

  1. diejenige Tonart und deren Transpositionen, in denen die große Terz und Sexte des Grundtons herrschend sind. Also zum Beispiel C-Dur, G-Dur, D-Dur etc. heißen Durtonarten. Demnach auch
  2. diejenige diatonische Skala, in welcher der diatonische Halbton auf der dritten und siebten Stufe sich befindet und die den Toninhalt der Durtonart in stufenweiser Ordnung vom Grundton zur Oktave auf dem Liniensystem darstellt, mithin ebenfalls mit großer Terz und Sexte erscheint. Diese Tonleiter heißt diatonische Durtonleiter.
  3. Der Dreiklang, welcher neben der reinen Quinte die große Terz enthält. Die Dreiklänge z. B. c-e-g, g-h-d, b-d-f etc. heißen Durdreiklänge.

B. Ehedem

  1. die um einen kleinen halben Ton erhöhte Stufe B, unser heutiges H. Im alten Tonsystem hatte keine Stufe zwei verschiedene Saiten, ausgenommen eben die Stufe B. Die tiefere von beiden Saiten betrug gegen den Grundton A eine kleine Sekunde, entsprach also unserem heutigen B, die höhere hingegen eine große Sekunde, unserem heutigen H gleichkommend. Jene, mit (b rotundum oder molle) bezeichnet, wurde B molle, diese, durch (b quadratum oder durum) ausgedrückt, B durum genannt. Wenn nun
  2. ein Gesang den Ton b enthielt, wurde er Cantus mollis oder Cantus b molli genannt; hingegen wenn nicht der Ton b, sondern ♮ (h) in ihm vorkam, Cantus durus oder Cantus ♮ duri genannt. Im System der Hexachorde waren die Hexachorde I. Γ [Gamma]-E, IV. G-e, VII. g-ee durale oder durum, eben weil sie kein ♭ sondern ♮ hatten (siehe Solmisation). So hießen auch
  3. die in natürlicher Lage notierten Kirchentöne und späteren Tonarten des 16. Jahrhunderts, in denen nur unser heutiges H als diatonische Stufe vorkam, das Systema durum (regulare); die um eine Quart höher versetzt notierten Toni ficti hingegen, in denen zur Herstellung des erforderlichen Stufenverhältnisses ♮ in ♭ verwandelt werden musste, das Systema molle (transpositum). Siehe Tonart. Unsere heutige Unterscheidung von Dur- und Molltonart muss man hierbei ganz bei Seite lassen. Der Modus dorius zum Beispiel, d-e-f-g-a-h-c, nach unserem heutigen Begriff Moll, gehörte, wenn er in seiner natürlichen Tonhöhe (also ohne ♭) notiert war, doch zum Systema durum. Der Jonicus transpositus hingegen, f-g-a-♭-c-d-e, unserem Begriff nach Dur, gehörte zum Systema molle, weil er ein am Schlüssel hat. Man sieht also, dass die Bedeutung, welche das Wort Dur bei den Alten hatte, von der, welche wir seit Reduktion der Kirchentöne auf unsere Dur- und Molltonart damit verbinden, völlig abweicht. Darum aber war ihnen das Dur und Moll in unserem Sinne noch keineswegs unbekannt, sie übten es ebenso gut aus wie wir, wenngleich sie ihre Tonarten nicht so deutlich in ein Dur- und Mollgeschlecht geschieden haben.
  4. Bei älteren Schriftstellern die Erhöhung eines einzelnen Tones durch ein . So heißt der Ton F♯ F dur, der Ton C♯ C dur, der mehreren Schärfe wegen, welche diese Halbtonerhöhung einem Tone erteilt, im Gegensatz zum ♭ molle, das den Ton erniedrigt und weicher macht.

[Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 271]