Dominante. Benennung zweier Tonstufen der Tonart, der Quinta Toni und Quarta Toni. Jene heißt Oberdominante oder Dominante schlechthin, diese Unterdominante.
quinta toni bei den Alten, reine Quinte, harmonischer Mittelpunkt der Oktave, vorzugsweise Dominante genannt, als herrschender Ton. Ihre wesentliche Bedeutung als solche liegt
- in ihrem Quintverhältnis zum Grundton. Das nächst dem Einklang (der Tonidentität) mit dem Grundton am vollständigsten übereinkommende Tonverhältnis ist die Oktave, durch ihre Saitenlänge 1 von der des Grundtons 2 nur in dem Verhältnis der Ähnlichkeit und Verschiedenheit einer Hälfte zu ihrem Ganzen 1:2 stehend. In der Quinte hingegen, als dem Verhältnis 2:3, zweier Drittteile zu einem Ganzen, ist bereits eine Trennung ausgesprochen. Die Oktave setzt zur Erfüllung eines Ganzen ein ihr völlig Gleiches voraus, die zweite Hälfte der Saite; die Quint etwas von ihr selbst Verschiedenes, das dritte Drittteil: Die Verschiedenheit der Oktave vom Grundton ist nur eine äußerliche, die der Quint hingegen schon innerer Art, der Fortschritt vom Grundton zur Quint erscheint bereits als entschiedene Bewegung und Trennung – und umgekehrt, die Rückbewegung von der Quinte zum Grundtone als Rückkehr zur Ruhe und Einheit. Indessen, dieses Bewegungsverhältnis zwischen Grundton und Quint, Tonika und Dominante, ist durch das einfache Zahlenverhältnis, in welchem die Saitenteile beider Stufen zueinander stehen, so natürlich und leicht fasslich, der Gegensatz der Quinte zum Grundton so nahe verwandt, und die Neigung jener zu diesem, eben als zu der Ausgleichung ihrer Trennung, so naturgemäß, dass unter allen Tonverbindungen eines Tonstückes Tonika und Dominante in erster Reihe aufeinander sich beziehen. Alle anderen Tonstufen der Tonart erscheinen der Tonika gegenüber ebenfalls (harmonisch aufgefasst) als Trennung und Bewegung, doch ist ihre Trennung bereits eine entferntere und eine dieselbe schließlich vollkommen ausgleichende Wiedervereinigung mit der Tonika bedarf einer Vermittlung, welche, wenigstens am letzten Schlusse, stets die Dominante zu übernehmen hat. Der
- Akkord der Dominante weist in erster Reihe auf den tonischen Dreiklang hin. Erfolgt eine Fortschreitung in einen anderen Akkord, so ist sie doch nichts als Unterbrechung der natürlichen Fortschreitung (Trugkadenz [Trugschluss]). Der tonische Dreiklang kann den Vorausgang des Dominantakkordes nicht entbehren, wenn es schließlich um vollständige Zurückführung der Bewegung zur Ruhe sich handelt: Der vollkommene Ganzschluss eines Tonstückes kann nur durch den dem tonischen Dreiklang vorausgehenden Dominantakkord vollzogen werden. Wird
- eine Modulation in eine andere Tonart unternommen, so geschieht es mittels des Dominantakkordes der einzuführenden Tonart – als denjenigen Akkord, der mit dem tonischen Dreiklang die wesentlichste Tonverbindung jeder Tonart überhaupt, also auch der neuen, ausmacht. Die
- nächste Verwandtschaft der Tonarten unserer modernen Musik, in welche die Dominante überhaupt diese umfassende Bedeutung erst erhalten hat, beruht auf dem Dominantverhältnis. Der Tonartenzirkel wird quintenweise entwickelt, wobei die nächstfolgende um eine Quint höhere (oder Quart tiefere) Tonart stets als Dominante der vorangegangenen erscheint, bis endlich mit der zwölften Quinte der Ausgangston wieder erreicht wird.
quarta toni, reine Quarte, arithmetisches Mittel der Oktave, der Tonart ebenfalls harmonisch wichtig als Grundton des dritten der drei Hauptakkorde, welche ihren Toninhalt und ihre harmonische Grundlage ausmachen. Einen Ganzschluss zu vollziehen, ist der Unterdominantdreiklang zwar nicht geeignet, sondern nur einen Halbschluss (Plagalkadenz); wohl aber den Ganzschluss zu vervollständigen, indem er dem Dominantakkord oder dem tonischen Quartsextakkord vorausgeht. Denn als charakteristische Quarte der Tonart unterschiedet die Unterdominante die Haupttonart von ihrer Dominanttonart (also als Quarte f von C, die Tonart C-Dur oder C-Moll von ihrer Dominanttonart G-Dur, welche nicht f sondern fis enthält), ähnlich wie der Dominantakkord durch seine große Terz die Haupttonart von der Unterdominanttonart unterscheidet, weil der Ton h C-Dur oder C-Moll, aber nicht F-Dur oder F-Moll angehört. Unterdominant- und Dominantakkord verbunden charakterisieren daher die Tonart mit unzweifelhafter Sicherheit. Dies bewerkstelligt aber auch schon der Dominantseptimenakkord allein, weil er zum Dominantakkord noch den Unterdominantton als kleine Septime enthält. Der Akkord D-Fis-A-C kann nur G-Dur oder G-Moll, weder D noch A oder einer anderen Tonart angehören, da er sonst nirgend als leitereigener Akkord vorkommt (siehe Akkord).
In einem Tonstück ist die Tonika der Mittelpunkt, von dem die Bewegung ausgeht. In ihrer Wendung nach der Oberdominante macht ein gewisses Steigen und in ihrer Wendung nach der Unterdominante ein gewisses Fallen der Bewegung sich fühlbar. Über die Theorie einer Charakteristik der Tonarten, welche A. B. Marx auf diesen Umstand gegründet hat, vergleiche Tonart (Anmerkung 16). Das Verwandtschaftsverhältnis der Tonarten nach der Unterdominantseite ist ein ähnliches wie das nach der Oberdominantseite, der Zirkel der Tonarten wird ebenso durch fallende Quinten (steigende Quarten) wie durch steigende Quinten (fallende Quarten) durchmessen. Nach der Unterdominantseite erscheinen die Tonarten mit Been [sic. ♭], nach der Oberdominantseite die Tonarten mit Kreuzen. Vergleiche auch Tonart. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 244f]