Musiklexikon: Was bedeutet Allemande?

Allemande (1929)

Allemande (französisch, englisch: Almain, Allmayne, "deutscher Tanz"), etwa seit 1550 (z. B. in Attaingnants Troisieme livre de danceries, 1556) der Name der in Deutschland entwickelten neuen Form des Reigens, im Gegensatz zu der altväterisch gewordenen Pavane (siehe dort).

Die Allemanden vor und um 1600 sind wirkliche Tänze zum Tanzen, von schlichter volksmäßiger Rhythmik in geradem Takt, und haben noch nicht eine obligatorische Form des Auftaktes, als welche sich 100 Jahre später der Anfang mit einem Achtel oder Sechzehntel vor dem Taktstrich herausbildete. Man vergleiche Allemande von 1571 (Phalèse):

Allemande (Einstein 1929)

Phalèse: Allemande d'Amour

Zu Bachs Zeit ist die Allemande mindestens ebenso weit von der schlichten Faktur wirklicher Tänze abgekommen wie zu Scheins Zeit die Pavane. Man vergleiche Fr. Couperin, Allemande La Ténébreuse:

Allemande (Einstein 1929)

Couperin: Allemande La Ténébreuse

Die heute [um 1930] in Schwaben und der Schweiz übliche lebhafte Allemande im 3/4-Takt (!) hat mit den älteren Allemanden nichts zu tun, steht vielmehr dem Schnellwalzer sehr nahe (die Deutschen, Allemanden oder Alla Tedesca in Haydns Es-Dur-Trio, bei Beethoven u. a. sind solche Schnellwalzer). Vgl. Balletto. [Einstein/Riemann Musiklexikon 1929, 30f]

Allemande (1882)

Allemande (französisch, sprich: allmángd, "deutscher Tanz"), einer der Hauptteile der älteren französischen Suite - von mäßiger, behaglicher Bewegung im 4/4-Takt, wurde von den deutschen Komponisten zu Anfang des vorigen Jahrhunderts [des 18. Jh.] unter gleichem Namen akzeptiert und aus naivem Patriotismus besonders kultiviert. Die Allemande im 2/4-Takt als wirklicher Tanz ist jüngeren Ursprungs. Auch ein noch heute [um 1880] in Schwaben und in der Schweiz üblicher lebhafterer Tanz im 3/4-Takt wird Allemande genannt. [Riemann Musik-Lexikon 1882, 21]

Allemande (1870)

Allemande (französisch) ist der Name einer älteren Tanzmelodie deutschen Ursprungs. Es gibt mehrere Arten von Allemanden, nämlich

  1. den wirklichen und bekannten deutschen Nationaltanz im 3/4- oder 3/8-Takt, welcher noch jetzt [um 1870] in Bayern, Schwaben, Baden und der vorderen Schweiz heimisch ist. Er ist verwandt mit der Ländlerweise und trägt den Charakter ruhigen, in sich zufriedener Fröhlichkeit. Die Aufstellung der tanzenden Paare ist ähnlich der im Menuett und der Schritt ist - u u. Die Ausführung ist nicht ohne Schwierigkeit und erfordert eine ungezwungene, anmutige Beweglichkeit des ganzen Körpers. In einigen Gegenden kommt die Allemande modifiziert und im 2/4-Takt vor. Eine durch französische Balletmeister ebenfalls umgemodelte Abart der Allemande kam am französischen Hofe zur Zeit Ludwigs XIV. auf. Sie eben hat der ganzen echt deutschen Gattung ihren französischen Namen gegeben. Dieser Tanz fehlte lange Zeit in keinem Ballprogramm, in keinem Ballet und war noch zur Zeit des ersten französischen Kaiserreichs so beliebt, dass er in fast jedem Theater von Paris, und wenn nicht anders, so doch in den Zwischenakten von Schauspielen, ausgeführt werden musste. Er bewegt sich im langsamen Walzer-(Ländler-)Tempo und besteht aus drei sogenannten pas marché, bald geschleift, bald vor, bald zurück, selten walzend. Eine anmutige Armbewegung hat die Tanzschritte zu unterstützen. Der Name übrigens ist von den dabei ursprünglich zu Grunde liegenden deutschen, spezieller elsässischen, Motiven abgeleitet, wie auch die Einführung dieses Tanzes am Hofe zu Versailles gewissermaßen für ein Symbol der künstlerischen Einverleibung des neu erworbenen Elsass gelten sollte.
  2. bezeichnet Allemande ein nicht tanzbares Tonstück in 4/4-Takt von gemessener Bewegung, welches in der Suite (siehe dort) gewöhnlich den Anfang, in der Partite (siehe dort) den ersten Satz nach der Ouvertüre oder dem Präludium bildete. Der gemessenen Bewegung entsprechend ist sie von ernsterem Charakter mit reicher Melodie und voller Harmonie, häufig auch mit mannigfachen Spielfiguren und Verzierungen nach Art der Spielarie oder des Andante ausgestattet. Mattheson erklärt sie in seinem "Kern melodischer Wissenschaften" (S. 121) für "eine gebrochene, ernsthafte und wohlausgearbeitete Harmonie, welche das Bild eines zufriedenen und vergnügten Gemüthes trägt, das in guter Ordnung und Ruhe scherzet". Dass sei zu Anfang der Suite stehe, geschehe ehrenhalber, weil sie eine "aufrichtige teutsche Erfindung" sei. In dieser entwickelteren und kunstgemäßen Form ist sie von den älteren deutschen Meistern mit der größten Vorliebe kultiviert worden, und Händels sowie Seb. Bachs Allemanden werden für unübertroffene Muster der Gattung gehalten. K. Phil. Eman. Bach entwickelte in dieser Form bereits eine freiere, die sogenannte galante Schreibart und trug dadurch zu ihrer Überführung in andere Formen wesentlich bei. Jetzt [um 1870] wird die Allemande als selbstständiges Tonstück nicht mehr verwendet. Einen Anklang daran aber kann in den langsamen Eingangssätzen stehen, welche in Form eines kürzeren Adagio, Maestoso oder Andante dem ersten Allegrosatze in Sinfonien, Quartetten, Sonaten usw. mitunter vorangehen.

[Mendel Musikalisches Lexikon 1870, 166f]

Allemande (1840)

Allemande, Drehtanz.

  1. Deutscher Nationaltanz im Zweivierteltakt.
  2. Tanzmelodie im Dreivierteltakt, in Schwaben und in der Schweiz, dem französischen Tamburin ähnlich.
  3. Eine Gattung kleiner Tonstücke von etwas ernsthafterer Bewegung und mannigfaltigerer Harmonie, in den bis vor siebzig, achtzig Jahren so beliebten Suiten für das Klavier gebräuchlich. Es war dies eine der Formen, in welchen C. Phil. Em. Bach in seinen beliebten Klavierkompositionen die freie oder sogenannte galante Schreibart entwickelte und verbreitete.

[Gathy Encyklopädie Musik-Wissenschaft 1840, 12]

Allemande (1833)

Allemande, Drehtanz,

  1. der bekannte, ursprünglich deutsche Nationaltanz im 2/4-Takt, von heiterem Charakter, traulich scherzende Zärtlichkeit ausdrückend;
  2. eine muntere Tanzmelodie im 3/4-Takt, welche viel Ähnliches mit dem französischen Tambourin hat und in Schwaben und in der Schweiz gebräuchlich ist;
  3. eine Gattung kleinerer Tonstücke, welche man in den sogenannten Suiten, besonders für Klavier, findet.

Als Tänze sind Allemanden jetzt nicht mehr üblich. [Häuser Musikalisches Lexikon 1833a, 19]

Allemande (1802)

Allemande. Man bezeichnet mit diesem Worte zwei verschiedene Gattungen von Tonstücken von deutscher Erfindung, und zwar

  1. die Melodie zu einem bekannten deutschen Nationaltanze, die in den Zweivierteltakt eingekleidet ist und die den Charakter der Fröhlichkeit behaupten muss;
  2. wird mit diesem Wort auch ein Tonstück im Viervierteltakte bezeichnet, welches nicht zum Tanze bestimmt ist und welches in den sonst gebräuchlich gewesenen und beliebten Suiten und Parthien für das Klavier, oder für mehrere Instrumente zugleich, als ein Produkt von deutscher Erfindung den ersten Rang behauptete oder jederzeit vor andern ähnlichen Piecen zuerst gesetzt wurde.

Diese Gattung der Allemande hat eine etwas ernsthafte Bewegung und volle gut abwechselnde Harmonie. Nach Mathesons Meinung behauptete sie den Charakter eines vergnügten Gemüts, das sich an guter Ordnung und Ruhe ergötzt. Seit 30 bis 40 Jahren ist diese Gattung der Tonstücke nicht mehr gebräuchlich.

Oft gibt man auch den Namen Allemande dem schwäbischen Tanze, der in Schwaben und in der Schweiz bei den Landleuten sehr gewöhnlich und jederzeit in einem flüchtigen Drippeltakt eingekleidet ist. [Koch Musikalisches Lexikon 1802, 132]