Musiklexikon: Was bedeutet Menuett?

Menuett (1929)

Menuett (Menuet, Minuetto), ältere französische Tanzform, die indes in der Kunstmusik nicht über Lully zurückreicht (vgl. T. Norlind, Zur Geschichte der deutschen Suite, Sammelb. der IMG. VII, 197). Der Name Menuett kommt her von menu = klein, zierlich, nach dem Tanzschritt, der im Vergleich mit den Spring- und Schreittänzen klein ist.

Das Menuett ist im eminenten Sinn ein höfischer Tanz. Das Menuett bewegt sich im Tripeltakt, ursprünglich in sehr mäßigem Tempo mit verbindlichem Anstand und ist ohne Verzierungen vorzutragen. Das von Lully für Ludwig XIV. komponierte, von diesem 1653 in Versailles getanzte Menuett, sicherlich eines der frühesten, ist abgedruckt in der Allgemeinen Musik-Zeitung 1803, pag. 767. Man vergleiche das folgende Gesangs-Menuett von Agostino Steffani, das ebenfalls eins der frühesten Beispiele des Typs sein mag:

Menuett (Einstein 1929)

Gesangs-Menuett von Agostino Steffani

Die Orchestersuiten der Zeit 1680-1750 und die Divertimenti und Kassationen des 18. Jahrhunderts enthielten nicht selten mehrere Menuetts. Ältere Sinfonien und Sonaten (bis auf Haydn) haben auch öfter ein Menuett als Schlusssatz. Erst durch Johann Stamitz erhielt das Menuett mit kontrastierendem Trio seinen festen Platz als dritter Satz der viersätzigen Sinfonie und Sonate. Stamitz vertiefte auch den Ausdrucksgehalt des Menuetts und gab ihm seinen für lange Zeit typischen Charakter, den Haydns Beschleunigung des Tempos und Erweiterung der Form nur vorübergehend änderte. Beethoven steigerte das Haydnsche Menuett weiter zum Scherzo (siehe dort) und versteht unter "Tempo di minuetto" wieder die gemäßigtere Bewegung, das stilisiertere Tanzstück.

Eine große Sammlung französischer und italienischer Menuette Tels qu'ils se chantent au bal de l'Opéra erschien um etwa 1750 in neun Heften in Paris (vertreten sind Aubert, Boivin, Baton, Cartier, Colasse, Cupis, Deshayes, Dupré, d'Edouard, Guignon, Lavaux, Léclair, Lefébure, Mondonville, Sénaillé u. a. m., auch Friedrich d. Gr.). [Einstein/Riemann Musiklexikon 1929, 1158f]

Menuett, Minuetto (1882)

Menuett (Minuetto), ältere französische Tanzform, die indes in der Kunstmusik nicht über Lully zurückreicht. Das Menuett bewegt sich im Tripeltakt, ursprünglich in sehr mäßigem Tempo mit verbindlichem Anstand; ein Musterstück des älteren Menuetts ist das bekannte im "Don Juan". Bach und Händel führten das Menuett gelegentlich in die Suite ein, dann ist seine Stelle in der Regel die allgemeine der Einschiebsel zwischen Sarabande und Gigue. Haydn nahm es auch in die Symphonie auf, gab ihm jedoch eine etwas schnellere Bewegung, einen lustigeren, launigeren Charakter, während Mozart mehr Anmut und Zartheit hineinlegte. Beethoven steigerte das Haydnsche Menuett weiter zum Scherzo und versteht unter tempo di minuetto wieder eine etwas gemäßigtere Bewegung. [Riemann Musik-Lexikon 1882, 576]

Menuett (1877)

Menuett (französisch: le Menuett [sic], italienisch: il Minuetto), ein älterer Tanz aus Frankreich, nach Mattheson (Orchester I, S. 193) aus der Provinz Poitou herstammend, der dort namentlich im 17. Jahrhundert schon sehr beliebt war und auf die französische Oper von Einfluss wurde. Wie die meisten Tänze früherer Jahrhunderte, ist auch die [sic] Menuett ein Reihen-, kein Rundtanz, und wurde demnach gravitätisch gegangen und nicht, wie die Rundtänze, gesprungen. Doch waren die Pas ebenso genau vorgezeichnet. Es ergab dies für die begleitende Musik einen dreiteiligen Doppeltakt, als rhythmisches Motiv, das dann ebenso wie bei allen übrigen Tänzen zu einem ersten und zweiten Teil verarbeitet wurde.

Mattheson gibt in "Der vollkommene Kapellmeister" (Hamburg, 1739, S. 224) ein treffendes Beispiel für die Konstruktion dieses Tanzes, weshalb es hier stehen möge:

Menuett (MendelReissmann 1877)

'Konstruktion' eines Menuetts

Bei seiner Erläuterung legt er besonders auf die Wiederholung des ersten Taktes im fünften Gewicht.

Wie die meisten Tänze der früheren Jahrhunderte, wurde die Menuett auch als Gesang behandelt, und als sie dann auch als selbstständiges Instrumentalstück weitergebildet wurde, suchte man sie dadurch künstlerisch zu erweitern, dass man ihr noch eine zweite Menuett, Menuetto secondo, anfügte, der dann wieder die erste folgte. Diese zweite wurde später als "Trio" dem ganzen noch fester eingefügt. Dies ist rhythmisch ganz ebenso konstruiert, nur im Charakter abweichend, die eigentliche Menuett ergänzend. So wurde die Tanzform in die Suite aufgenommen und bildete dann einen wesentlichen Bestandteil der Cassatio [Kassation bzw. Cassazione] oder Serenade und ging von da in die Sinfonie und Sonate, wie beide seit Haydn sich entwickelten, über.

Dieser Meister hat ihren Charakter insofern verändert, als er ihr die ursprüngliche gravitätische Würde abstreifte und sie mehr lebhaft und lustig gestaltete. Sie wurde so als rechter Gegensatz zwischen Allegro und Andante gestellt. Mozart erfasste diese Tanzform noch mehr ihrem ursprünglichen Charakter gemäß. Bei ihm ist die Grazie vorwiegend und diese ist noch verbunden mit überquellender Innigkeit und dem Glanze seiner heiteren Lebensanschauung. Bei Haydn erscheint die Menuett in volkstümlicher Umgestaltung, er ersetzt die Grazie durch die ungebundene Lust, die Innigkeit durch übersprudelnde Laune. Beethoven knüpfte zunächst an diese Auffassung an, sie zugleich mit der Mozarts verbindend. Auch in Beethovens Menuetten lebt die reinste, ungebundene Lebenslust, aber in der Regel ist das Trio zugleich erfüllt mit der höchsten Innigkeit und Weichheit seiner Individualität, und dies gibt der die Menuett bewegenden Stimmung höhere Bedeutung, so dass diese notwendig erweitert werden musste. Der Meister hält nur noch die ursprüngliche Form der Menuett in ihren Grundzügen bei, er erweitert sie dann zu jenem Scherzo, in welchem nicht nur die bunte Lust des Lebens, sondern der ganze, in der mannigfachsten Weise sich äußernde Humor desselben in überwältigender Macht zur Erscheinung gelangt. Die engen Pas der Menuett erweitern sich in schwindelerregenden Dimensionen, das Scherzo stürmt in geflügelten Schritten einher, nach so weiten Maßen geordnet, welche die Menuett bisher nicht kannte. So wurde die Menuett, die einfache Tanzform, zu einer hochbedeutsamen, gewaltig wirkenden Instrumentalform. [Mendel/Reissmann Musikalisches Lexikon 1877, 132f]

Menuet, Minuetto, Ménuet (1840)

Menuet [Menuett], Minuetto (italienisch), Ménuet (französisch), ein für den bekannten französischen Tanz dieses Namens eingerichtetes Tonstück – von langsamer, gemessener Bewegung und edlem, graziösem Charakter; bestehend aus zwei Reprisen zu 4 oder 8 Takten im 3/4-Takt, oft auch mit angehängtem Trio. In neuerer Zeit, besonders seit Haydn und Mozart, wird die Menuet [sic] auch als ein selbstständiges Tonstück in Sinfonien, Quartetten, Sonaten usw. behandelt, jedoch ohne Festhaltung des ursprünglichen Charakters und der eigentlichen Form.

Minuetto secondo nennt man das diesem Tonstück oft hinzugefügte, ebenfalls aus zwei Teilen bestehende Trio, welches denselben Rhythmus behält und nach dessen Beendigung die (erste) Menuet wiederholt wird.

Lulli [Giovanni Battista Lulli, später: Jean-Baptiste Lully], der Vater der heroischen Oper in Frankreich, ist auch der Vater der Menuet. Die erste wurde 1653 zu Versailles getanzt, und zwar vom König Ludwig XIV. mit einer seiner Maitressen (siehe nachfolgendes Notenbeispiel).

Menuett (Gathy 1840)

das laut August Gathy älteste Menuett

In jener Zeit, da die Oper noch nichts anderes war als eine Hoffestlichkeit, tanzten Prinzen, Prinzessinnen und andere vom Hofe in den Balletten und einer königlichen Ordonanz zufolge durfte jeder Mann vom Stande in der Oper mitsingen und Gehalt annehmen, unbeschadet seiner Standesrechte. [Gathy Encyklopädie Musik-Wissenschaft 1840, 303]


Hier gibt es das Menuett im modernen Notensatz für Klavier als PDF-Download: Jean-Baptiste Lully: Menuett in D-Moll, Noten für Klavier.

Menuett, Minuet (1879)

Menuett, Minuet (französisch, "klein"), Minuetto (italienisch), Führtanz; ursprünglich ein französischer, aus Poitou stammender, graziöser Nationaltanz, der sich nur im gravitätischen Tempo bewegt und daher besonders eine schöne gerade Haltung des Körpers und zierliche Bewegung der Füße und Arme erforderte. Er wurde der Lieblingstanz im Zeitalter Ludwigs XIV. und verdrängte die von der vornehmen Welt begünstigte Courante (siehe dort). Die Musik bewegt sich dabei in einem mäßig geschwinden 3/4-Takt und hat zwei Reprisen, von denen jede acht Takte enthält und in dem vierten Takt immer einen sehr merklichen Absatz macht. Alle drei Viertel in einem Takt haben gleichen Zeitwert. Um dem ganzen Tanz und der Musik mehr Verschiedenartigkeit zu geben, hat man auf der Hauptmelodie noch eine zweite Melodie in einer anderen Tonart, ein Trio oder Menuetto secundo (Menuetto alternativo) von der nämlichen rhythmischen Einrichtung, verbunden, die mit jener wechselweise vorgetragen wird.

Eine ganz eigene Gattung, auch in musikalischer Hinsicht, bildet die sogenannte Krebsmenuet [sic], Menuetto cancherizante, welche vor- und rückwärts gespielt werden kann.

In der Mitte des vorigen Jahrhunderts [18. Jh.] fing man in Deutschland an, die Menuett in Sinfonien und Sonaten mit dem Trio eine besondere Abteilung ausmachen zu lassen. Gegenwärtig [um 1880] ist sie vom Scherzo (siehe dort) verdrängt. [Riewe Handwörterbuch 1879, 159]

Menuett, Menuet, Minuetto (1865)

Menuett, französisch: le Menuet, italienisch: il Minuetto, eine ältere Tanzmelodiengattung, sowohl als Tanz selbst wie als Tanzlied zum Singen gebräuchlich, desgleichen schon früh als tanzartiges Tonstück in die Suite, Serenate, Symphonie und Sonate herübergenommen.

Ursprünglich aus Frankreich - und zwar nach Matthesons Angabe (Orchester I 193) aus der Provinz Poitou herstammend, soll die [sic] Menuett den Namen von den graziösen kleinen Schritten, mit welchen sie ausgeführt wurde, erhalten haben (siehe Walther, Lexikon [Musiklexikon von 1732]). Sie zeichnete sich durch edlen, anmutig würdevollen Anstand aus, war der Tanz der vornehmen Welt und hatte "keinen anderen Affect, als eine mäßige Lustigkeit" (Kern melod. Wissensch. 109), alle gesellschaftlichen Tänze ohne Unterschied wurden ehedem damit eröffnet. Die Melodie steht jederzeit im Dreivierteltakt, und wenn zum Tanzen bestimmt, ist ihre Bewegung sehr mäßig geschwind. Ferner ist sie in zwei Reprisen gegliedert, von denen jede acht Takte enthält, im vierten Takt einen merklichen Einschnitt und außerdem oft noch im zweiten und sechsten Takte leichtere Zäsuren hat. Das Metrum des ersten oder der beiden ersten Takte wird häufig, doch nicht jederzeit, im fünften oder fünften und sechsten Takte genau wiederholt oder nur nachgeahmt. Die erste Reprise kadenziert entweder auf der Tonika oder mit dem Akkord einer leitereigenen Tonart oder auf der Halbkadenz der Haupttonart. Die zweite Reprise schließt mit der Tonika.

Um diesen Tanz musikalisch reicher auszustatten und ihm mehr Mannigfaltigkeit zu geben, führt man nach Schluss der zweiten Reprise einen zweiten Satz ein, der ebenfalls aus zwei Repetitionen besteht und auch sonst dem Hauptsatze rhythmisch ganz ähnlich eingerichtet, an Charakter aber von ihm verschieden ist, gewissermaßen einen einheitlichen Kontrast zu ihm bildet, und wechselweise mit ihm vorgetragen wird. Er pflegt in einer der Haupttonart nahe verwandten Nebentonart zu stehen. Weil man ehedem die Hauptmelodie gemeinhin nur zweistimmig setzte (die erste und zweite Violine unisono und Bass), so bediente man sich alsdann, um größere Mannigfaltigkeit zu gewinnen, bei der zweiten Melodie des dreistimmigen Satzes, und daher hat dieser Teil der Menuett (und auch anderer neuerer Tänze) den Namen Trio bekommen und bis heutigen Tag behalten.

Außer zum Tanzen diente die Menuett auch zum Singen, wurde außerdem schon früh in den Reigen der Suite und in die Partite aufgenommen. Darnach fand sie ebenfalls in der Cassation [Cassazione] oder Serenade einen und zwar einen sehr bevorzugten Platz, indem man sie fast regelmäßig zwischen jedes Andante und Allegro als vermittelndes Glied einschob, demnach sie zwei- oder dreimal in einem Stücke sich findet. Außerdem wurden ihr nicht selten mehrere Trios mit veränderter Instrumentation, auch für Soloinstrumente, beigegeben (vergl. O. Jahn, Mozart I 571). Als um Mitte des vorigen Jahrhunderts [18. Jh.] unsere moderne Symphonie und Sonate sich entwickelte, nahm man die Menuett, als den von allen damaligen Tänzen am meisten beliebten, auch in den Zyklus dieser Formgattung als zweiten oder dritten Satz mit herüber; ob Hadn dieses zuerst getan, ist nicht mit Gewissheit zu sagen, wenngleich man es annimmt. Jedenfalls aber gab er der Menuett ihren eigentümlichen, seitdem typisch gewordenen Charakter, "Haydn parodirte den Menuett nicht, aber er entkleidete ihn seiner vornehmen Würde; er nahm ihn wie ihn die Bürgersleute tanzen, und wusste eine volksthümliche Laune und Heiterkeit hineinzulegen, welche diesem Tanz ursprünglich fremd war" (Jahn, Mozart I 559). Bei Beethoven trat häufig das Scherzo an Stelle des [sic] Menuett, ohne diesen darum gänzlich zu verdrängen; ein solcher findet sich bekanntlich noch in seiner vorletzten Symphonie. Näheres über das Scherzo und sein Verhältnis zum Menuett siehe unter Scherzo, Sonate, Zyklische Formen. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 559f]