Musiklexikon: Was bedeutet Quartsextakkord?

Quartsext-Akkord (1865)

Quartsext-Akkord [heutige Schreibweise: Quartsextakkord]. Die zweite Umkehrung des Dreiklanges, welche entsteht, wenn man die Quinte in den Bass legt, wodurch Grundton und Terz des Grundakkordes als Quarte und Sexte des hiervon Quartsextakkord genannten Umkehrungsakkordes erscheinen: c-e-g — G-c-e. Je nach der verschiedenen Größe der Dreiklangsintervalle entstehen folgende Arten des Quartsextakkordes :

  1. Mit reiner Quarte und großer Sexte, als Umkehrung des großen Dreiklanges I, IV und V in Dur und III und VI in Moll (Notenbeispiel 1a). Es treten aber innerhalb derselben Tonart die Akkorde IV in Dur und III und VI in Moll fast gar nicht und der Akkord V in Dur nur hin und wieder im Durchgang in der Quartsextumkehrung auf.
  2. Mit reiner Quarte und kleiner Sexte, Umkehrung des kleinen [Moll] Dreiklanges I, in seltenen Fällen auch des IV und V in Moll, und des II, III und VI in Dur (Beispiel 1b).
  3. Mit übermäßiger Quarte und großer Sexte, Umkehrung des verminderten Dreiklanges VII- in Dur und VII-, II- und der sechsten erhöhten Tonstufe in Moll (Beispiel 1c).
  4. Mit verminderter Quarte und kleiner Sexte; kommt nur als Vorhalt vor der Sexte des Sextakkordes auf der großen Septime der Molltonart vor (Beispiel 1d).
Quartsextakkord (Dommer 1865)

Quartsextakkord (Dommer 1865)

In beiden Quartsextakkorden unter 1 und 2, mit großer und kleiner Sexte, ist die Quarte Umkehrung der reinen Quinte des Dreiklanges. Über das bald konsonante bald dissonante Wesen dieser reinen Quart im tonischen Dreiklange vergleiche [den Artikel] Quart. Beim vierstimmigen Gebrauch dieses Akkordes in der Schlusskadenz wird gewöhnlich der Basston verdoppelt, Quarte und Sexte treten auf der Arsis desjenigen Taktes, auf dessen Thesis sie erschienen sind, eine Stufe abwärts (Beispiel 2a) ; oder die Quart geht abwärts, während die Sexte in die Dominantseptime aufwärts steigt (Beispiel 2b); oder die Quarte bleibt beim Herabsteigen der Sexte in die Quinte liegen, als Vorhalt vor der Terz mit dieser Quinte eine Sekundendissonanz bildend (Beispiel 2c, sogenannter Quintquartakkord).

Innerhalb einer Tonart kommt fast nur der tonische Dreiklang als Quartsextakkord vor - und auch dann meist in Bezug auf eine Kadenz. Der Dreiklang V erscheint hie und da als durchgehender Quartsextakkord, kann aber meist durch den Sextakkord des VII- oder durch den Quintsext- oder Terzquartakkord des Dominantseptimenakkordes ersetzt werden (Beispiel 2d). Die anderen Dreiklänge können in manchen Tonverbindungen bei stufenweise fortschreitendem Bass als Quartsextakkorde erscheinen, doch ohne eigentlich reelle Geltung als solche zu haben. Das Gehör fasst die Quartsextakkorde Beispiele 2e, 2f mehr als durch Fortschreitung des Basses entstehende Sekundakkorde denn als eigentliche Quartsextakkorde auf (Beispiel 2g). Gebunden werden muss die reine Quart im strengen Stile jederzeit, gleichviel ob sie dem tonischen oder einem durchgehenden Quartsextakkord angehört. Ihr Eintritt ohne Bindung ist eine Freiheit, welche der Instrumentalsatz allerdings sehr oft sich gestattet, z. B. wenn in der Kadenz der Sextakkord des II (Beispiel 2h) an Stelle des Quintsextakkordes des II7 oder des Dreiklanges IV auftritt (2i). Ebenso in Moll.

Quartsextakkord (Dommer 1865)

Quartsextakkord (Dommer 1865)

Im vorhin unter 3 (Beispiel 1c) aufgeführten Quartsextakkord mit übermäßiger Quarte und großer Sexte, Umkehrung des verminderten Dreiklanges, ist der Basston, als ursprünglich oberes Glied einer verminderten Quint, Dissonanz, braucht aber nicht allemal vorbereitet zu werden, da eben der Charakter der übermäßigen Quarte und verminderten Quinte von nicht so entschieden dissonanter Art ist (siehe Quart). Das obere Glied der übermäßigen Quart geht aufwärts, und zwar meist eine halbe Stufe in die Oktave der Tonika (Beispiel 3a); bei Modulation aber auch eine ganze Stufe (Beispiel 3b); wenn der Quartsextakkord Umkehrung des verminderten Dreiklanges auf der erhöhten 6. Stufe in Moll ist, so schreitet seine übermäßige Quart einen ganzen Ton in den Leitton der Tonart fort, denn sie ist nichts anderes als die im melodischen Interesse, zur bequemeren Erreichung der großen Septime der Tonart, erhöhte sechste Tonstufe (Beispiel 3c). Im Grunde aber ist die übermäßige Quarte hier nichts als Durchgangsnote von e nach gis, und der dadurch entstehende Zusammenklang gar nicht als ein Quartsextakkord von selbständiger Geltung, sondern nur als zufällige Akkordbildung anzusehen. im Allgemeinen ist Der Gebrauch des Quartsextakkordes des verminderten Dreiklanges (wie ja auch der des Quartsextakkordes überhaupt) bei weitem eingeschränkter als der seiner ersten Umkehrung, des Sextakkordes. Meistenteils verdankt er seine Entstehung auch nur durchgehenden Noten, wie in Beispiel 3c; auch mit Beispiel 3a hat es ein gleiches Bewandtnis, Sopran und Tenor bilden im Durchgang ein zufälliges Quart- und Sextverhältnis zum liegenden Bass. Im vierstimmigen Satz hat er meist die Sekunde bei sich, verwandelt sich also in den (wenn er mit reeller Akkordgeltung auftritt, vom Gehör ohnedies ihm substituierten) Sekundakkord des V7, in Dur und Moll in den tonischen Dreiklang regulär sich auflösend (Beispiel 3d). Oder er erscheint in Gesellschaft der großen Terz, als Terzquartakkord des II7 in Moll, in den Dominant- oder tonischen Quartsextakkord resolvierend (Beispiel 3e). Über die Bezifferung des Quartsextakkordes siehe Generalbass.

Quartsextakkord (Dommer 1865)

Quartsextakkord (Dommer 1865)

[Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 710f]

Quartsextakkord (1882)

Quartsextakkord, eine von der Generalbassbezifferung herstammende Benennung, welche zunächst ganz allgemein bedeutet, dass zu dem mit 4|6 [Ziffern stehen übereinander] überschriebenem Basston dessen Quarte und Sexte (nach dem Vorzeichen der Tonart) genommen werden sollen; in C-Dur bedeutet also 4|6 den Akkord f-h-d.

Gewöhnlich meint man aber, wenn vom Quartsextakkord, der gebotenen vorsichtigen Einführung desselben und seiner eigentümlichen Bedeutung für den Satz gesprochen wird, den Dur- oder Mollakkord in derjenigen Umkehrung, welche die Quinte zum Basston macht (dritte Lage). Entsteht diese Lage durch stufenweises Fortschreiten des Basses und tritt sie auf dem schlechten [unbetonten] Taktteil auf, so ist über sie gar nichts besonderes zu bemerken. Ergreift dagegen der Bass den Ton sprungweise, so findet, besonders auf dem guten Taktteil, eine abweichende Auffassung statt, welche den Akkord als Dissonanz erscheinen lässt - und zwar als doppelte Vorhaltsdissonanz (Quarte und Sexte vor Terz und Quinte) - und eine entsprechende Behandlung erfordert. Vergleiche Dissonanz. [Riemann Musik-Lexikon 1882, 733]