Musiklexikon: Was bedeutet Dissonanz?

Dissonanz, Dissonanza, Dissonance (1840)

Dissonanz, Dissonanza, Dissonance, Zusammenklang zweier oder mehrerer Töne, deren Verbindung dem Ohre widrig ist oder doch das Verlangen nach konsonierenden Intervallen erweckt; auch der Ton oder das Intervall selbst, welches diese Wirkung hervorbringt und, um das Gehör zu befriedigen, regelmäßig in ein konsonierendes Intervall übergehen, d. h. aufgelöst werden muss.

Man pflegt die Dissonanzen, je nachdem sie wesentliche Bestandteile der Grundharmonie sind oder nicht, in wesentliche (harmonische) und zufällige (harmoniefremde) einzuteilen (vergleiche Akkord).

Dissonierende Wirkung äußern folgende Intervalle:

  1. die verminderte Quinte und ihre Umkehrung in die übermäßige Quarte
  2. die übermäßige Quinte und ihre Umkehrung in die verminderte Quarte
  3. die übermäßige Sexte
  4. alle Septimen und Sekunden
  5. alle Nonen

Da der freie Eintritt mancher Dissonanz etwas Raues hat, so lässt man, um das Gehör darauf vorzubereiten, einen von den beiden Tönen, welche gegenseitig dissonieren, schon in der vorhergehenden Harmonie [im vorhergehenden Akkord] im schlechten [unbetonten] Taktteil erscheinen und nennt dies die Vorbereitung der Dissonanz.

Dissonanz (Gathy 1840)

Einführung/Vorbereitung und Auflösung einer Dissonanz

Der Eintritt in den folgenden guten Taktteil (durch die Bindung) heißt der Anschlag (Notenbeispiel b), und Auflösung heißt das Eintreten der Dissonanz in eine ihr zunächst liegende Konsonanz wiederum im schlechten Taktteil (c). Die Verdoppelung des dissonierenden Intervalls muss stets vermieden werden, weil die gleiche Auflösung derselben Oktaven hervorbringen würde.

Die ältere Einteilung in vollkommene und unvollkommene, in alterierte und unvollkommen alterierte Dissonanzen siehe unter den entsprechenden Artikeln. [Gathy Encyklopädie Musik-Wissenschaft 1840, 97f]

Dissonanz (1879)

Dissonanz (von lat. dissonieren, missklingen), das Verhältnis zweier oder mehrerer Töne, deren Zusammenklang ein Gefühl des Unbefriedigtseins und der Unruhe hervorruft; besonders auch der Ton eines Intervalls oder die Töne eines Akkords, welche durch ihre Eigenschaft als sogenannte strebende Töne (d. h. als solche, welche eine bestimmte Fortschreitung eine Stufe auf- oder abwärts verlangen), aber das Unbefriedigende verursachen.

Man unterscheidet gewöhnlich wesentliche Dissonanzen, das sind solche, welche zum Wesen eines Stamm- oder abgeleiteten Akkords gehören, und zufällige, welche nur durch einen zufälligen Umstand in den Zusammenklang aufgenommen werden. Zu den ersten gehören: die verminderte Quinte und deren Umkehrung, die verminderte Quarte, die übermäßige Sexte, die kleine, große und verminderte Septime, die große, kleine und übermäßige Sekunde, die große und kleine None, die Undezime und die Terzdezime. Zufällige Dissonanzen sind: Durchgänge (sowohl diatonische als chromatische), Vorhalte, Antizipationen und Retardationen. Die ältere Musiktheorie stellte als unumgängliche Regel auf, dass jede Dissonanz vorbereitet werden müsse; die neuere Praxis hat sich jedoch von diesem Zwange fast ganz losgesagt und lässt die Dissonanzen nach Belieben ohne alle Vorbereitung eintreten. [Riewe Handwörterbuch 1879, 75f]