Musiklexikon: Was bedeutet Lyra?

Lyra (Leier) (1882)

Lyra (Leier),

  1. altgriechisches Saiteninstrument, der Kithara ähnlich, aber kleiner. Die Lyra wurde mit einem Plektron gespielt; die Zahl der Saiten variierte zu verschiedenen Zeiten, ursprünglich soll sie nur drei gehabt haben. Da Lyra und Kithara des Griffbretts entbehrten, d. h. jede Saite stets nur einen Ton gab, so sind sie nicht unsrer heutigen Zither oder gar Guitarre, sondern nur der Harfe vergleichbar.
  2. Im 16.-18. Jahrhundert ein Streichinstrument mit vielen Saiten, die teils über das Griffbrett, zum Teil aber neben demselben (als sog. Bordune) liefen; die Lyra gehörte zur Gattung der Violen und wurde in dreierlei Größe gebaut: als Lira da braccio (mit 7 Griffsaiten und 2 Bordunen, Tenorinstrument), als Lira da Gamba (12 Saiten und 2 Bordune, Bassinstrument) und Archiviola da lira (Lirone, bis zu 24 Saiten, Kontrabassinstrument, auch Accordo genannt). Zur Gattung der Lyren gehörte auch das Bariton. Noch Haydn schrieb Stücke für Lyra und für Bariton, erstere für den König von Neapel, letztere für den Fürsten Esterhazy.
  3. Das auch Stahlspiel oder uneigentlich Glockenspiel genannte Instrument der Militärmusiken, das auch im Opernorchester Eingang gefunden hat, bestehend aus abgestimmten Stahlstäben, die auf einem lyraförmigen Rahmen lose befestigt sind und mit einem Hämmerchen geschlagen werden (Ersatz für das ältere Glockenspiel).

[Riemann Musik-Lexikon 1882, 540]

Lyra (1855)

Die Lyra. Ebenfalls ein uraltes Instrument, das sich aber nicht wie die Harfe in die neuere Zeit in so hohem Wert erhalten hat. Die Erfindung wird dem Hermes oder Mercurius zugeschrieben, und zwar nach einer alten Sage, welche sich im Virgil Cap. XV. vorfindet, ungefähr in folgender Weise:

Mercurius stieß einst, bei einem Spaziergange an den Ufern des Nils, an eine Schildkrötenschale, welche dieser Fluss bei einer Überschwemmung angespült hatte, und die nun nach dem Zurücktreten des Wassers an dem Ufer liegen geblieben war. Von dem ehemaligen Bewohner dieser Schale war nichts mehr übrig, als die von der Sonne ausgetrockneten Sehnen, welche ausgespannt darin fest an der Schale hingen, so dass durch den Anstoß ein Ton bemerkbar wurde. Dieser Ton brachte den Merkur auf den Gedanken, getrocknete Tiernerven zwischen zwei Ziegenhörner zu spannen, woher sich ihre erste Figur ableitet.

antike Lyren

Antike Lyren, Fig. 2 bis 4 aus [Welcker 1855].

Zuerst bespannte Merkur sein Instrument mit drei Sehnen, wie Figur 2 zeigt [siehe Abb. oben]. Es sollte dies das Sinnbild der drei Jahreszeiten vorstellen, welche man damals in Frühling, Sommer und Winter teilte. Später vermehrte man die Saiten bis zu sieben, womit das Siebengestirn bezeichnet wurde; dann bis neun, als Sinnbild der Zahl der Musen, und zuletzt bis auf zwölf.

Mit der Vermehrung der Saiten erhilet das Instrument nun auch verschiedene Formen. Man gab ihm z. B. einen hohlen Körper in dreieckiger, viereckiger oder runder Gestalt, mit Schallloch versehen, dem man herrliche Verzierungen von Schnitz- und Laubwerk zufügte, das nicht selten aus Gold, Silber und Elfenbein gearbeitet wurde.

Fig. 3 [Abb. oben, 2. von links] zeigt eine Lyra von der Rückseite. Fig. 4 soll die Lyra Amphions vorstellen; 5 ist eine verbesserte Lyra nach neuem Stil.

Dass die Lyra vor Alters ein sehr beliebtes Instrument war, welches man bei besonderen Festlichkeiten und gottesdienstlichen Handlungen gebrauchte, bezeugen viele Sagen, welche uns in der Geschichte aufbewahrt sind.

Apollo mit Lyra

Apollo mit Lyra

Besonders wird sie als Lieblingsinstrument des göttlichen Musikers Apollo (von Bürger der Leyermann genannt) bezeichnet. Bis jetzt hat sie sich zwar als Tonwerkzeug erhalten, allein sie scheint in Beibehaltung ihrer Grundform keiner besonderen Verbesserung fähig zu sein, ohne daraus ein anderes Instrument zu schaffen. Sie kommt deshalb auch kaum mehr als wirkliches Instrument anders als nur symbolisch in Anwendung. [Welcker von Gontershausen Magazin 1855, 63ff]

Lyra (1882)

Lyra (italienisch: Lira, französisch: Lyre), das wohl älteste Saiteninstrument, das der ägyptische Gott Hermes dadurch aufgefunden haben soll, dass er die Sehnen einer toten Schildkröte, die dadurch frei geworden waren, dass das Fleisch verwest war, klangerzeugend fand und sie zu einem Instrument benutzte. Das so gewonnene Instrument wurde allmählich verbessert und bei den Griechen sehr beliebt. [Reissmann Handlexikon 1882, 251]

Lyra, lira, lyre (1876)

Lyra (ital.: lira, französ.: lyre), fälschlich auch Leyer genannt, ist das älteste Saiteninstrument, dessen Ursprung auf den ägyptischen Hermes Trismegistus [sic] (d. h. der Dreimalgrößte), der als mythologisches Wesen bald mehr als Gott, bald mehr als historische Person zur Darstellung kommt, zurückgeführt wird. Der Mythos, welcher den ägyptischen Hermes oder Mercur die Lyra erfinden ließ, sagt uns:

Als der Nil nach einer langanhaltenden Überschwemmung in seine Ufer zurückgetreten war, blieb mit vielen anderen Tieren auch eine Schildkröte auf dem Lande liegen, deren Fleisch verfault und vertrocknet war, so dass sich nichts weiter vorfand, als die durch diese Vertrocknung angespannten und dadurch klingend gewordenen Sehnen unter der Schale. Zufällig mit dem Fuße die Schale dieser Schildkröte berührend, wurde Hermes durch den Klang der Sehnen so überrascht, dass er auf den glücklichen Gedanken kam, ein musikalisches Instrument daraus zu verfertigen. So die Sage von der Erfindung der alten dreieckigen und dreisaitigen Lyra.

Die Griechen schrieben natürlich die Erfindung der Lyra ihrem Landesgotte Hermes zu. Dieser ist der Sage nach ein Sohn des Zeus und der Maja, der Tochter des Atlas. In einer Höhle des Berges Kyllene in Arkadien geboren, schlüpfte er einige Stunden nach seiner Geburt aus der Wiege, ging nach Pierien und stahl dem Apollo Rinder, die er nach Pylos trieb. Um nicht bei diesem Rinderdiebstahl ertappt zu werden, ging er mit den Tieren rückwärts, band ihnen Baumzweige an die Schwänze und verwischte damit die Fußstapfen. Schnell nach Kyllene zurückgekehrt, tötete er dort eine Schildkröte, spannte Saiten über die Schale und erfand so die Lyra. Apollo entdeckte aber durch seine Wahrsagergabe den Dieb seiner Rinder und überließ sie ihm gegen Abtretung der Lyra. Deshalb erscheint er, auch neben seinem Attribute als Sonnengott, als Gott des Gesanges und des die wilden Leidenschaften besänftigenden Lyraspiels, daher ihm auch neben dem "Bogen" als zweites Hauptattribut die "Lyra" gegeben wird.

Infolge der Veränderungen, welche Linos, Orpheus, Amphion und Terpander mit der Lyra vornahmen, vermehrte sich die Zahl der Saiten auf 4, 5, 7 und zuletzt auf 11. Nach anderen verbesserte nur der griechische Hermes, nach einigen Apoll die ägyptische Lyra, indem er dieser noch eine vierte Saite hinzufügte. Die Lyra des Anubis auf einem ägyptischen Mumienkasten in Wien weist übrigens bereits fünf Saiten auf.

Durch die verschiedene Zahl der Saiten, die verschiedene Form und die verschiedene Annahme der Erfindung dieses Instruments sind endlich auch, besonders in anderen Sprachen, verschiedene Namen für dasselbe Tonwerkzeug entstanden. Die Lyra Pythagoras, welche die Form eines Dreifußes gehabt haben soll, also wahrscheinlich wenig von der älteren dreieckigen Lyra verschieden war; die Lyra lesbia, die Lyra des Arion, die schon erwähnt wurde; die Lyra hexachordis, d. i. die 6-saitige Lyra. Die Lyra barberina war eine von Joh. Baptist Doni zu Florenz im 17. Jahrhundert erfundene Lyra. -

Die Lyra wurde beim Spiele, welches durch Reißen [Zupfen, Anschlagen] der Saiten mit einem Plektron oder auch mit den Fingern geschah, zwischen den Knien gehalten. Die siebensaitige Lyra wird beim Gesang zum Andenken ihrer Helden auch heute [um 1870] noch in Abyssinien und den angrenzenden Ländern angewendet. Ein Griffbrett, auf welchem die Saiten zur Vervollständigung oder Erweiterung der Tonleiter verkürzt werden könnten, hatte die Lyra nicht. Es enthielt oder enthält dieses Instrument demnach nicht mehr Töne als Saiten, die dann aber in verschiedenen Harmonien gestimmt werden, so dass auf mehreren der heutigen Lyren in den genannten Ländern vollständige Harmonien ausgeführt werden können.

Amphion, von den Musen unterwiesen, weihte sich der Musik und der Dichtkunst. Die Lyra, deren Saiten er vermehrte, soll er so schön und rührend haben spielen können, dass er mit seinen Tönen die Tiere des Waldes, Bäume und Felsen bezauberte. Auch Terpander, einer der berühmtesten Musiker und Dichter Griechenlands, zu Antissa auf Lesbos um 700 v. Chr. geboren, soll auf der Lyra ein für seine Zeit großer Meister gewesen sein. Übrigens wurde die ursprüngliche Lyra des griechischen Hermes (Mercur) der Sage nach zu Lyrnessus aufbewahrt, wo sie Achilles bei Eroberung dieser Stadt erbeutete - anderen Erzählungen zufolge nach dem grausamen Tode des Orpheus, der sie von Apollon erhalten hatte, von Zeus unter die Gestirne versetzt. [Mendel Musikalisches Lexikon 1876, 477f]

Lyra (1802)

Lyra. Das erste Saiteninstrument des grauen Altertums; wahrscheinlich auch eine der ersten Erfindungen zum Vergnügen des menschlichen Geistes, nachdem er für Unterhalt und persönliche Sicherheit gesorgt hatte. Jahrtausende hindurch diente es den Gesängen zum Lobe der Götter und zum Andenken der Helden zur Begleitung. So weit die historischen Nachrichten reichen, war es ägyptischen Ursprunges. Apollodor beschreibt die Erfindungsgeschichte desselben auf folgende Art: Hermes, an dem Ufer des Nils lustwandelnd, stieß zufälligerweise an eine Schildkröte, die nach der Überschwemmung des Stromes auf dem Trockenen zurückgeblieben und deren Fleisch von der Sonne dergestalt ausgetrocknet war, dass die Schale weiter nichts enthielt als Knorpel und die durch die Austrocknung angespannten und dadurch klangfähig gewordenen Sehnen. Der Klang, den diese Sehnen durch das Anstoßen an diese Schale von sich gaben, veranlasste den Hermes zu der Erfindung der Lyra, die er in der Form einer Schildkrötenschale verfertigte und mit drei Saiten von getrockneten Sehnen toter Tiere Tiere bezog. Man vermutet, dass Hermes diese drei Saiten dergestalt gestimmt habe, dass die erste zur zweiten einen halben, die zweite zur dritten aber einen ganzen Ton ausmachte.

Die Griechen, die dieses Instrument ohne Zweifel von den Ägyptern erhalten und es nur auf diese oder jene Art verbessert und mit mehr Saiten bezogen haben, schreiben die Erfindung desselben ihrem Merkur zu. Die unter ihnen gebräuchlichen Lyren hatten die Form zweier Widderhörner, zwischen welchen die Saiten gezogen wurden und denen ein der Schildkrötenschale ähnliches Korpus zum Klangboden diente. Nach der Meinung der mehresten [sic] Altertumsforscher war sie mit sieben Saiten bezogen, die entweder mit einem Plektrum gespielt oder, so wie unsre Harfe, mit den Fingern gerissen wurden. Noch heutzutage bedient man sich in Abyssinien [sic] und den angrenzenden Ländern dieses Instrumentes zu Begleitung des Gesanges und bezieht es ebenfalls mit sieben Saiten.

Es gab in Ägypten auch noch eine Lyre von dreieckiger Form, deren Abbildung man auf einem übrig gebliebenen alten ägyptischen Kunstwerke gefunden hat. Überdies wird in den Schriften der Alten einer Lyra hexachordis (sechssaitigen), einer Lyra Lesbia, dessen sich Arion aus der Insel Lesbus bediente, einer Lyra Pythagorae und dgl. gedacht, die ohne Zweifel alle nur in Kleinigkeiten von der gewöhnlichen Lyre verschieden waren. Die Lyre des Pythagoras soll jedoch die Gestalt eines Dreifußes gehabt haben.

Von dem Wiederaufleben dieses uralten Instrumentes oder von dem Instrumente, welches seit kurzer Zeit in Frankreich sich zum Lieblingsinstrumente des schönen Geschlechts erhoben hat, siehe den Artikel Lyre-Guitarre. [Koch Musikalisches Lexikon 1802, 918ff]