Viola (1882)

Viola,

  1. (Bratsche) das bekannte Streichinstrument, welches seit dem 16. Jahrhundert gebaut wird und in unserem heutigen Streichorchester die Altlage vertritt (Altviola, Viola alta, Alto), etwas größer als die Violine, die vier Saiten gestimmt in c g d' a'. Der gewöhnliche Orchesterumfang des Instruments reicht bis g'' oder a'', doch kann sie als Soloinstrument auch erheblich höher geführt werden. Notiert wird für die Viola im Altschlüssel. Der Schallkasten der Viola ist etwas flach im Verhältnis zur Größe, wodurch sich der etwas näselnde Klang des Instruments erklärt, der übrigens sowenig wie bei der Oboe unangenehm ist; de Versuch, durch veränderte Mensur diese Klangeigentümlichkeit zu beseitigen (siehe Ritter), scheint vorerst noch wenig Anklang zu finden.
  2. In der Orgel eine Gambenstimme zu 8 oder 4 Fuß (als Quintstimme 32/3 Fuß: Quintviola).
  3. Bis ins vorige Jahrhundert hinein [18. Jh.] erhielt sich neben den in ihren äußeren Konturen wie der Zahl und Stimmungsweise der Violine nachgebildeten Instrumenten (zu denen außer der heutigen Bratsche auch das Violoncello und der Kontrabass gehören) eine ältere Art von Streichinstrumenten, die eigentlichen Violen, aus denen sich durch allmähliche Vervollkommnungen, Weglassung der Bünde, Reduktion der Saitenzahl etc. durch Tiroler und Cremoneser Meister die Violine entwickelt hatte. Dass unsre Bratsche eine von diesen alten Violenarten sei, kann man zwar häufig genug angemerkt finden, ist aber ein großer Irrtum. Allerdings verbreitete sich zunächst nur die Violine, besonders in Frankreich, wo wir die Kammermusik Ludwigs XIII. als "les vingt quatre violons du roi" finden, während in England erst nach der Restauration Karls II. die V. verdrängt wurde. Die Violine trat einfach an die Stelle des "Pardessus de viole" in den Chor der Violen für die höchsten Parte ein, und es blieben die Violen für den Alt-, Tenor- und Basspart bestehen. Dann rückte, als man anfing, auch die größeren Violenarten nach dem Muster der Violine zu bauen, zunächst die Bratsche und weiter zu Anfang des 18. Jahrhunderts das Cello nach, das bis dahin nur eine untergeordnete Rolle als Bassinstrument gespielt hatte, während die Gambe sich als konzertierendes Instrument hielt. Der ursprünglich auch nach Violenart gebaute Kontrabass (Violone) wich auch nur allmählich dem nach Violinart gebauten. Die Violen zerfielen in zwei Hauptarten: solche, die, wie heute die Violine und Bratsche, mit den Armen gehalten und am Kinn angesetzt wurden ("Viola da braccio", daher unser Name "Bratsche", der von der "Armviola" auf die Altvioline, wie sie eigentlich heißen müsste, überging), und solche, die zwischen den Knien gehalten wurden, wie heute das Cello ("Viola da Gamba", "Kniegeige", daher unser "Gambe"). Alle Violen unterschieden sich von der Violine und ihren Verwandten erheblich durch die äußere Form, durch die Besaitung und die Form der Schalllöcher. Vergleiche Violine. […]

[Riemann Musik-Lexikon 1882, 970f]