Triller (1882)
Triller, die bekannteste und häufigste aller Verzierungen (siehe dort), gefordert durch tr~~~ oder einfach tr, auch +, ist der den ganzen Wert der verzierten Note ausfüllende wiederholte schnelle Wechsel der Hauptnote mit der höheren Nachbarnote, wie sie die Vorzeichen ergeben. Doch darf niemals im Intervall der übermäßigen Sekunde [z. B. es-fis] getrillert werden, vielmehr muss in:
auch ohne ein überschriebenes ♮ [Auflösungszeichen] die Hilfsnote f'' und nicht fis'' benutzt werden.
Früher pflegte man den Triller als mit der Hilfsnote beginnend anzusehen:
doch ist seit etwa Anfang unseres Jahrhunderts [des 19. Jh.] die Auffassung, dass die Hauptnote beginnen müsse, allmählich die herrschende geworden:
Auch pflegte man früher wohl den Triller langsam beginnen und allmählich schneller werden zu lassen:
eine Manier, welche eine gewisse Garantie für saubere Ausführung bietet und darum noch heute [um 1880] wenigstens von Sängern, Cellospielern etc. häufig vorgezogen wird.
Bestimmte Regeln für die Geschwindigkeit, überhaupt die rhythmische Struktur des Trillers gibt es nicht und kann es nicht geben. Denn einmal sind diese, wie überhaupt die Ausführung aller Verzierungen, wenigstens teilweise vom Geschmack des jeweiligen Spielers oder Sängers abhängig, und dann spricht auch die technische Ausbildung ein gewichtiges Wort mit. Der Triller soll möglichst schnell geschlagen werden (ausgenommen in Basslage, wo er allzu schnell genommen ununterscheidbar werden würde), damit ist alles gesagt. Akzente innerhalb des Trillers sind fehlerhaft. Um aber einen schnellen, gleichmäßig verlaufenden Triller schlagen zu lernen, muss man langsam und mit Akzenten, besonders auch mit wechselnden Akzenten, üben. Sehr wichtig sind die Übungen mit Triolenbetonung:
Der Sänger muss bekanntlich die Trillertöne von oben herunter binden, nicht umgekehrt:
sonst wird er niemals einen glatten Triller lernen. Doch braucht er darum nicht den Triller mit dem oberen Ton zu beginnen.
Der für kurze Noten geforderte Triller wird sehr häufig nur als Pralltriller oder als Triole, höchstens Quintole ausgeführt werden können. Jedenfalls tut der Lehrer gut, an Stellen, wo der fertige Pianist zwei, drei oder vier Schläge zuwege bringt, von dem noch weniger entwickelten Schüler nur eine Triole zu verlangen, z. B. (Mozart, Sonate in C):
Eine Quintole würde in derselben Sonate auszuführen sein bei der Stelle:
Die Frage, wann dem Triller ein sogenannter Nachschlag als Schluss beizugeben sei, ist das einzige Problem, welches der Triller bietet. In neuerer Zeit ist es üblich, den Nachschlag mit kleinen Noten hinzuschreiben, wo er gewünscht wird (beim längeren Triller fast ausnahmslos). Auch bei neuen Ausgaben älterer Werke findet man in Menge die Nachschläge hinzugefügt, leider ist darin aber zweifellos von manchen Editoren des Guten zu viel geschehen, z. B. von Moscheles bei Mozart und Beethoven. Als Hausregel kann gelten, dass der Nachschlag entbehrlich ist, besonders nach kürzeren Trillern, wenn von der Trillernote ein Sekundschritt abwärts geschieht, z. B.:
Doch dürfen darum noch immer nicht alle nach oben führenden Triller einen Nachschlag bekommen. Das [folgende Beispiel]
(Beethoven, Op. 22) duldet keinen Nachschlag:
sondern muss sich begnügen mit:
oder:
so dass das zweite f-e gleichsam als noch zum Triller gehörig, als Verlangsamung erscheint. Desgleichen ist es geschmacklos, im Beethovenschen G-Dur-Konzert in der Stelle:
und ihren Parallelen dem Triller einen Nachschlag zu geben, denn derselbe folgt im nächsten Takt nach.
Ähnliche Gesichtspunkte müssen in zahllosen Fällen für oder wider den Nachschlag entscheiden. Der Herausgeber eines klassischen Werks wird, wenn er dem Spieler die Zweifel immer zum Voraus lösen will, stets seinen Geschmack, sein musikalisches Verständnis zu Rate ziehen müssen, nicht aber nach bestimmten schematischen Regeln verfahren.
Soll (in neueren Werken) der Triller mit der Hilfsnote beginnen, so muss diese noch besonders als Vorschlagsnote eingezeichnet werden:
Wird die untere Sekunde als Vorschlagsnote vorgeschrieben, so entsteht der Triller mit Vorschleife, so:
in älterer Musik durch:
gefordert, welchem Zeichen das für den Triller mit Vorschleife von oben:
entspricht, auszuführen:
Auch der Nachschlag konnte durch eine ähnliche Schleife am Schluss des Trillerzeichens gefordert werden, und es kommen daher auch Triller mit beiden Schleifen vor:
Das einfache
ist das alte Zeichen des Trillers, wurde aber häufig so ausgeführt, dass nur ein Teil des Notenwerts aufgelöst wurde und dann die Note ausgehalten (siehe Pralltriller). In älteren Kompositionen bis zu Beethoven wird man den Intentionen des Komponisten am besten gerecht werden, wenn man den Triller mit der (oberen) Hilfsnote beginnen lässt. Bei neueren dagegen beginnt stets die Hauptnote, wenn es nicht anders besonders vorgeschrieben ist.
Wo bei Bach und anderen älteren Komponisten das Zeichen des Trillers über der ersten Note eines punktierten Rhythmus:
auftritt, darf nicht der ganze Notenwert aufgelöst werden, sondern es wird dann nur ein paarmal schnell geschlagen und ohne Nachschlag innegehalten, um den Rhythmus noch zur Geltung zu bringen. Ein maßgebendes Gesetz für die Ausführung aller Verzierungen ist, dass sie nicht die Rhythmik des Stücks schädigen dürfen. Man tut daher in vielen Fällen gut, eine Stelle erst ohne die Verzierung zu spielen und dieselbe dann einzufügen. [Riemann Musik-Lexikon 1882, 935ff]