Musiklexikon: Was bedeutet Ripieno?

Der musikalische Fachbegriff Ripieno, kompetent erklärt von Musikologen des 18. und 19. Jahrhunderts in deutschsprachigen Musiklexika der Zeit.

Ripieno (1882)

Ripieno (italienisch, "voll") ist der Gegensatz von Solo oder Obligato, also ungefähr identisch mit Tutti. Ripienstimmen sind die Stimmen der (mehrfach besetzten) begleitenden Instrumente in Werken mit Soli (Konzerten etc.). Doch bezeichnet die Vorschrift "r." in Partituren speziell das Einsetzen sämtlicher Streichinstrumente (oder in Militärorchestern der Klarinetten etc.) im Tutti, da früher während der Dauer eines Solos nur ein Teil der Ripienisten zu begleiten pflegte, was bei manchen Konzertinstituten noch heute geschieht. [Riemann Musik-Lexikon 1882, 772]

Ripieno (1877)

Ripieno (italienisch), voll, ausgefüllt (repletus). Daher bezeichnet man mit Ripienstimmen die (chormäßig) von mehreren Personen ausgeführten Stimmen eines Vokal- und Instrumentenwerkes, also die Chorstimmen, und beim Orchester die Streichinstrumente. Ihnen gegenüber treten die Solostimmen, die nur von einer Person ausgeführt werden. Für diese sind als Begleitung nicht selten die sämtlichen Ripienstimmen zu stark, und deshalb werden die Solostellen häufig nur mit einer kleineren Zahl dieser Ripienstimmen begleitet. In den Tuttis nur spielen dann alle Ripienstimmen mit, und dies wird dann durch ripieno angezeigt.

Für große Aufführungen in weiten Räumen hat man auch Ripienchöre und ein Ripienorchester, die nur aufgeboten werden, um bei gewissen, besonders auszuführenden Stellen mitzuwirken. Dann erhalten in der Regel auch die Holzblasinstrumente Ripienspieler. Auch diese Instrumente werden doppelt und mehrfach besetzt, wie dies in den Militärorchestern ohnehin schon der Fall ist. Sie wirken aber dort, bei jenen Aufführungen, wie die Ripienisten nur in Chören und im Tutti mit.

In neuerer Zeit ist die Bezeichnung etwas außer Gebrauch gekommen, weil man in der Regel auch die Soli durch die sämtlichen Ripienisten begleiten lässt. Spielt dabei nur ein Teil, so ist Regel, dass beim Tutti sämtliche mitwirken, weshalb es dann keiner besonderen Bezeichnung bedarf. Demnach heißt der Bass Ripienbass, wenn er, im Gegensatz zu dem, der von einem oder einzelnen Instrumentalisten gespielten, von den Ripienisten ausgeführt wird.

Wie oben erwähnt wurde, begleitet bei Solovorträgen meist nur ein Teil der Instrumentalisten, und nur in den Tuttis wirken alle mit. Das gilt natürlich auch vom Basse. Ferner wurde früher, als es noch üblich war, die Rezitative und wohl auch Arien nur mit einem Tasteninstrument zu begleiten, zur Unterstützung des Basses noch ein oder mehrere Kontrabässe und Cellis hinzugezogen. So wurde der Bass [sic] continuo zugleich zum Ripienbass [Basso ripieno]. [Mendel/Reissmann Musikalisches Lexikon 1877, 360f]

Ripieno (1865)

Ripieno, voll, ausgefüllt (repletus). "Bedeutet einen vollen Chor; wenn alle Chori vnd Stimmen, sampt allen Instrumenten, in gewissen Clausulen zusammen fallen. Also werden auch gebraucht diese Synonyma: Tutti, Plenus Chorus". Gengenbach, Mus. nova 1626.

1) Solche Hauptstimmen, die bei der Ausführung vielfach (chormäßig) besetzt, also von mehreren Personen zugleich unisono vorgetragen werden, wie z. B. die vier Stimmen eines vierstimmigen Chores oder bei voller Orchestermusik Streichquartett und Kontrabass. Daher unterscheidet man durch Ripieno oder Ripienstimmen die vielfach besetzten Stimmen eines Chores oder Orchesters von solchen Hauptstimmen eines Tonstückes, die nur von einer Person vorgetragen und Solo-, konzertierende oder obligate Stimmen genannt werden.

2) Solche Stimmen, die nur zur Ausfüllung und Klangverstärkung eines Tonstückes dienen; insbesondere die Vervielfältigungen der Hauptstimmen, die nur beim vollen Chore gebraucht werden, wie z. B. in einem Konzert oder einer Arie der Ausdruck Basso ripieno diejenige Vervielfältigung der Grundstimme bedeutet, welche etwa in der Arie nur die Ritornelle verstärken, bei Begleitung der Solostimmen aber schweigen soll, damit das Akkompagnement die Hauptmelodie nicht unterdrücke.

So wendet man bei Musikaufführungen in sehr großen Räumen auch ganze Singchöre und Orchester als Ripienchöre und Ripienorchester an, welche den Zweck haben, an geeigneten Stellen durch Verstärkung des einfachen Chores und Orchesters eine gewaltigere Massenwirkung hervorzubringen. Auch den Holzblasinstrumenten gibt man bisweilen Ripienstimmen bei, wenn der Raum es erfordert und sie sonst zu schwach klingen würden - doch nur zum Nachteile des guten Vortrages, weil die feineren Nuancierungen desselben dadurch verloren gehen. Bei Aufführung von Symphonien, überhaupt reinen Instrumentalwerken soll man es daher besser unterlassen. In der Kirchenmusik mit großem Chor mag es noch eher gehen, weil diese ohnehin so große Vortragsfeinheiten nicht fordert, außerdem die mehrfache Besetzung der Holzblasinstrumente doch nur bei Begleitung des Chores und im Tutti angewendet wird, beim Sologesänge selbstverständlich unterbleibt. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 733]

Ripieno (1802)

Ripieno (voll, ausgefüllt) ist das Beiwort, womit man 1) solche Hauptstimmen bezeichnet, die bei der Ausführung vielfach besetzt oder von mehreren Personen zugleich vorgetragen werden, wie z. B. die vier Singstimmen eines Chors - oder wie bei voller Orchester-Musik die vier Hauptstimmen, nämlich die erste und zweite Violine, die Viola und der Bass. Man unterscheidet demnach durch das Beiwort ripieno oder durch den Ausdruck Ripienstimme die vielfach besetzten Hauptstimmen eines Chores oder eines Orchesters von solchen Hauptstimmen eines Tonstückes, die nur von einer einzigen Person vorgetragen werden und die man konzertierende oder obligate Stimmen nennt (siehe konzertierend).

Von dem charakteristischen Unterschied einer Solo- und Ripienstimme ist schon in dem Artikel Arie gehandelt und bemerkt worden, dass die Solostimmen den Ausdruck der Empfindungen einzelner Personen, die Ripienstimmen aber den Ausdruck der Empfindungen einer ganzen Menge zum Gegenstand haben.

Mit dem Worte ripieno werden 2) auch diejenigen Stimmen bezeichnet, die bloß zur Ausfüllung und Verstärkung eines Tonstückes dienen. Von dieser Beschaffenheit sind teils die sogenannten Füllstimmen, z. B. die Trompeten, Hörner, Oboen oder Klarinetten, wenn sie nicht obligat gearbeitet, sondern bloß zur Ausfüllung und Verstärkung der Harmonie oder zur Verstärkung der Hauptstimmen gesetzt sind, teils auch die vervielfältigten Hauptstimmen, die nur bei vollem Chore gebraucht werden. So bezeichnet z. B. in einem Konzerte oder in einer Arie der Ausdruck Basso ripieno diejenige Grundstimme, die nur die Ritornelle verstärken, aber bei der Begleitung der Solostimme schweigen soll, damit das Akkompagnement die Hauptmelodie nicht übertöne. [Koch Musikalisches Lexikon 1802, 1260f]

Ripieno (1732)

Ripieno, pl. ripieni (ital.) ein aus ri und pieno zusammengesetztes Wort, heißt: mit vollem Chor. Wird öfters durch ein bloßes R angedeutet; auch als ein Stimm-Titul [Titel] gebraucht und über diejenigen Stimmen gesetzt, welche nur zur Ausfüll- und Verstärkung einer Musik beigefügt werden. [Walther Musicalisches Lexicon 1732, 528]