Musiklexikon: Was bedeutet Chromatische Tonleiter?

Chromatische Tonleiter (1929)

Chromatische Tonleiter, die durch die zwölf Halbtöne des temperierten Systems laufende Skala. Die chromatische Tonleiter muss sehr verschieden notiert werden, je nach der Tonart, deren diatonische Skala sie chromatisiert. In die Durtonleiter führt die Chromatik im Aufsteigen erhöhte, absteigend erniedrigte Töne als Leittöne zur folgenden Stufe ein. Doch wird absteigend statt der chromatischen Erniedrigung der Tonartquinte der Leitton zu derselben vorgezogen, z.B. in C-Dur: g-fis-f statt g-ges-f. Die Molltonleiter dagegen benutzt steigend und fallend die beiden durch die sogenannte melodische Molltonleiter gebräuchlichen Stufen, z. B. in A-Moll aufwärts und abwärts f-fis-g-gis. Auch schreibt wohl niemand im Absteigen den Leitton von oben zur Mollterz (das wäre in A-Moll des).

Einige ältere Komponisten (Mozart) schreiben in der chromatisch ausgefüllten steigenden Durtonleiter statt der übermäßigen Sekunde, Quinte und Sexte die enharmonisch mit ihnen zusammenfallende kleine Terz, Sexte und Septime, wodurch aber der Unterschied zwischen der chromatischen Dur- und chromatischen Moll-Tonleiter aufgehoben und der harmonische Sinn verdunkelt wird. In der sogenannten Atonalität (siehe dort) dagegen entfallen diese Rücksichten bei der Notierung der chromatischen Zwölftonreihe, da ja die Voraussetzung eines tonalen Zentrums nicht mehr besteht. [Einstein/Riemann Musiklexikon 1929, 318]

Chromatische Tonleiter, chromatische Skala (1882)

Chromatische Tonleiter, die durch die zwölf Halbtöne des temperierten Systems laufende Skala.

Die chromatische Tonleiter wird sehr verschieden notiert, je nach der Tonart, in welcher sie vorkommt, und der Harmonie, in deren Sinn sie verstanden wird. Wenn die diatonische Skala angesehen werden muss als ein Dur- oder Mollakkord mit Durchgangstönen (vergleiche Tonleiter) und wenn die Wahl der Durchgangstöne, besonders von der Terz zur Quinte und von der Quinte zur Oktave, je nach der Tonart, in welcher der Akkord auftritt, eine verschiedene sein kann, so wird auch die chromatische Tonleiter, die nur eine Ausfüllung der diatonischen Skala durch chromatische Zwischentöne ist, von demselben Gesichtspunkt aus zu beurteilen sein. Die steigende chromatische Tonleiter führt erhöhte, die fallende erniedrigte chromatische Töne ein. So ergibt zum Beispiel der D-Moll-Akkord in C-Dur gewöhnlich die diatonische Skala: d-e-f-g-a-h-c-d, der D-Dur-Akkord in A-Dur: d-e-fis-gis-a-h-cis-d, fallend der Des-Dur-Akkord in Ges-Dur: des-ces-b-as-ges-f-es-des. Die chromatischen Skalen dieser drei Fälle würden daher so aussehen:

Chromatische Tonleiter (Riemann 1882))

Beispiele für die Notierung chromatischer Skalen

[Riemann Musik-Lexikon 1882, 167]