Solmisation (1840)

Solmisation. Das Solfeggieren nach den von Guido Aretino eingeführten und nach ihm benannten aretinischen Silben: ut, re, mi, fa, sol, la. Man teilte nämlich vor ihm die 15 gebräuchlichen Töne A, H, c usw. bis eingestrichen a' in Tetrachorde. Dies Tongebiet vermehrte Guido um sechs Töne: G, eingestrichen b, h und zweigestrichen c, d, e und teilte es in sieben Hexachorde, d. h. Tonreihen von sechs Tönen, in deren jedem von der dritten zur vierten Stufe ein halber Ton ist.

Solmisation, Hexachord-Tabelle

Guidonische Hexachorde

Die drei ersten oder ursprünglichen Hexachorde, von denen die übrigen nur Wiederholungen in höheren Oktaven sind, heißen:

  1. Cantus durus, die harte,
  2. Cantus naturalis, die natürliche,
  3. Cantus mollis, die weiche Tonart;

welche Lehre durch folgenden lateinischen Vers eindringlicher gemacht wurde:

C naturam dat; F b molle tibi signat;
G per ♮ durum dicas cantare modernum.

Die Töne eines jeden obigen Hexachords wurden benannt mit den Silben ut, re, mi, fa, sol, la, so dass in jedem die halben Töne [Halbtonschritte] (H-c, e-f, a-b) immer mi-fa hießen. So lange nun eine Melodie innerhalb der Grenzen eines solchen Hexachords lag, blieben die Namen der Töne unverändert dieselben.

Solmisation, Beispiel 1

Guidonische Silben

Wurde aber dieser Umfang überschritten, so mussten die Silben verwechselt oder mutiert werden, damit die Silben mi fa wieder unter die halben Töne zu stehen kamen.

Solmisation, Beispiel 2

Mutation

Diese Mutation war einer Menge Regeln unterworfen und hatte bedeutende Mängel. Guido lehrte dieselbe an den Fingern der linken Hand abzählen (siehe Guidonische Hand). [Die oben gezeigte Hexachord-Tabelle] zeigt das ganze in seine sieben Hexachorde eingeteilte Tonsystem […] mit den sich verändernden Benennungen der Töne; woraus die Ursache ersichtlich, warum z. B. der Ton c mit c fa ut, der Ton e mit e la mi usw. bezeichnet wurde.

Erst durch die Einführung des Heptachords, d. h. durch Einteilung des Tonsystems in Tonleitern von sieben Tönen, konnte die Unbequemlichkeit des obigen Verfahrens beseitigt werden. Die Italiener und Franzosen behielten zwar die Silben bei, nannten aber den siebenten Ton si, und die Italiener verwandelten auch die Silbe ut in die wohlklingendere do.

Die Deutschen bedienten sich nach Abschaffung der Solmisation der sogenannten Gregorianischen Buchstaben c, d, e, f, g, a, h zur Bezeichnung der Töne [vgl. A-b-c-dieren], und in den Niederlanden nahm man die Silben be, ce, di, ga, la, ma, ni - die Bobisation oder Bocedisation - an. Graun und nach ihm Hiller bedienten sich der Silben da, me, ni, po, tu, la, be - nach ersterem Graun'sche Silben, auch sonst Damenisation genannt. Endlich bediente man sich auch der Silben la, be, ce, de, me, fe, ge - welchen man den Namen Bebisation oder Labisation gab. [Gathy Encyklopädie Musik-Wissenschaft 1840, 429f]