Musiklexikon: Was bedeutet Chanson?

Chanson (1882)

Chanson (französisch) das Lied der Franzosen, vorwiegend heiteren Charakters. Im 16. Jahrhundert waren in Frankreich noch das Sonett und das Rondeaux die beliebtesten lyrischen Dichtungsformen. Ronsard (von 1585) und vor allem Malherbe (1556-1628), der in Heidelberg und Basel studiert hatte, pflegten die Formen des in jener Zeit in Deutschland Ode genannten Liedes, das dann auch in Jean Baptiste Rousseau (1671-1741), in Racine und anderen Vertreter fand.

Allmählich erst nahm das Lied den leichten Ton an; naiver Scherz, epigrammatischer Witz und der Ausdruck der Munterkeit und Freude wurden sein Inhalt und bestimmten die leichte und sangbare Form. De la Fare, Lainez, Chaulieu, Gresset, Voltaire waren im vorigen Jahrhundert wegen der Leichtigkeit ihrer Lieder zum Sprichwort geworden. Seitdem wurde auch der Name Chanson allgemein. 1732 erschien in Paris: "Nouveau recueil de chansons françois" mit Musik und 1736 bereits: "Recueil de chansons choisies". 1765 "Chansons joyeuses" und 1780 "Le petit chansonnier". Der Inhalt und die leicht fasslich ansprechende Melodie machte diese Dichtungen bald außerordentlich beliebt unter dem Volke. Außer Béranger haben in unserem Jahrhundert [im 19. Jh.] noch mehrere Chansonniers Ruhm und Ansehen in Frankreich gewonnen. [Reissmann Handlexikon 1882, 75]

Chanson (1879)

Chanson, französisch, im Allgemeinen jedes singbare Gedicht, gleichviel ob epischer oder lyrischer Gattung. In diesem Sinne heißen in der älteren nordfranzösischen Poesie "Chansons de geste" jene größeren epischen Dichtungen, die von den Troubadours vorgetragen ("gesungen und gesagt") wurden.

Jetzt [um 1880] versteht man darunter ausschließlich ein lyrisches Gedicht, das etwa unserem weltlichen Lied entspricht, ein leichtes Lied, das einen Gedanken anmutig, heiter, witzig, naiv erfasst, Törichtes mit pikantem Spott geißelt, auch wohl zu leidenschaftlichem Kampfe anfeuert. Jede Strophe des Chansons hat einen Refrain. [Riewe Handwörterbuch 1879, 49]

Chanson (1865)

Chanson (von chanter, singen; italienisch: Canzona). Ein kleines lyrisches Singstück, ein Lied. Der Begriff des modernen französischen Chanson, den wir mit diesem Worte gegenwärtig [um 1865] zu verbinden gewohnt sind, füllt aber den unseres deutschen Liedes nicht ganz aus, sondern passt nur auf eine Art desselben. Erstens hat der [sic] Chanson stets nur strophische Melodie, unser deutsches Lied hingegen keineswegs immer; ferner ist er nicht subjektiver Gefühlserguss allein, sondern wählt gerne einen solchen Inhalt, der in epigrammatisch pointierten und zugespitzten Ausdruck sich kleiden lässt, zeigt seinen Gegenstand in jeder Strophe immer als ein neues und anders beleuchtetes Bild, am Schlusse derselben aber in einem durch eine feine und überraschende Wendung eingeführten Refrain stets den Grundgedanken betonend, wie wir es in einer ähnlichen Art unserer deutschen Lieder ebenfalls finden.

Es gibt Chansons auf alle Gelegenheiten des Familien- und öffentlichen Lebens, Chansons d'amour, à boire (Rondes de table), pastorales, rustiques, balladées oder pour danser (wie die Musetten, Gavotten, Bransles etc.), guerrières, patriotiques, religieuses, satiriques etc. Dass ein so verschiedener Inhalt eine ebenso mannigfaltige Modifikation der Ausdrucksweise zur Folge haben muss, ist selbstverständlich; der religiöse Chanson wird keine Witzpointe enthalten, während es im satirischen wesentlich auf eine solche ankommt. Der Begriff desselben lässt sich daher so genau nicht abgrenzen, mit oben Gesagtem ist nur eine am häufigsten hervortretende Eigentümlichkeit dieser Liedergattung bezeichnet.

In älterer Zeit ist der Ausdruck Chanson (sowie auch Lays) ganz allgemeine Benennung für kurze einfache Lieder, die vom Komponisten selbst oder von anderen Tonsetzern auch wohl mehrstimmig bearbeitet wurden. Solche Chansons kommen schon sehr frühe vor und sind auch aus dem 13. und 14. Jahrhundert (aus dieser Zeit jedoch nur als Tenor in kirchlichen Kompositionen der Niederländer), in einzelnen Überresten auch aus noch früherer Zeit aufbehalten. Vergleiche Rousseau, Dictionnaire, Artikel Chanson; Kiesewetter, weltliche Gesang, 1841. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 149]