Ricercar, Recercar, Ricercare (1929)
Ricercar (italienisch, sprich: ritsch…, Recercar, Ricercare) ist seit Anfang des 16. Jahrhunderts der Name für frei erfundene Instrumentalkompositionen, die in direkter Nachbildung der Motetten, die ja auch instrumental zum Vortrag kamen, Motive imitierend durch die Stimmen führen. Die ältesten erhaltenen Ricerari sind solche für Laute (Dalza 1508, Franc. Bossinensis 1509), in denen freilich die fugenartige Arbeit kaum erkennbar ist. Doch sind sie wohl nur Parallelerscheinungen gleichzeitiger nicht erhaltener Ricercari für Orgel, wie solche seit Cavazzoni 1542, Buus 1547 usw. in Menge nachweisbar werden. Schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts tritt die mit Ricercar synonyme Bezeichnung "Fantasia" (bei den spanischen und deutschen Lautenmeistern schon 1536 (Milan, Newsidler), bei den Engländern gegen 1600 in der Virginalmusik (fantasies, fancies)) auf. Im 17. Jahrhundert wird auch der Name Capriccio für Ricercar üblich.
Das Ricercar hält ursprünglich nicht dieselben Motive dauernd fest, sondern geht (wie die Motette zufolge des fortschreitenden Textes, aber eben ohne solche Motivierung) nach kurzer Durchführung zu neuen Motiven über, entbehrt daher der Einheitlichkeit, die es erst im 17. Jahrhundert allmählich gewinnt, womit die wirkliche Fuge sich herausbildet. Im 18. Jahrhundert verstand man dann unter Ricercar oder Ricercata eine besonders kunstvoll gearbeitete Fuge mit Augmentationen, Inversionen usw. Der Wortsinn von Ricercar ist: suchen (das Thema), immer wieder aufsuchen (vgl. Walthers Lexikon, Artikel Ricercar, wo der Versuch gemacht ist, Ricercar und Ricercata zu unterscheiden); Bach bezeichnete akrostichisch sein Musikalisches Opfer (Fugen, Kanons usw. über ein von Friedrich d. Gr. gegebenes Thema) als Ricercar, nämlich Regis Jussu Cantio Et Reliqua Canonica Arte Resoluta. [Einstein/Riemann Musiklexikon 1929, 1509f]