Laute, Luth (1865)

Laute, Luth (abgeleitet vom arabischen al oud, die Schale), Liuto, Leuto; Testudo, Chelys (Schildkröte). Ein Saiteninstrument, dessen Saiten (Darmsaiten) mit den Fingern gerissen werden; von sehr alter, angeblich persischer oder maurischer Abkunft (Über die Erfindung vergleiche Barons Beitrag zur Historie der Laute in Marpurgs Beiträgen II. 65), wenn auch die erste Grundform bereits in der altgriechischen Lyra vorliegt. Nach übereinstimmenden Angaben wurde die Laute zuerst von den Arabern im südlichen Europa (Spanien) eingeführt, und noch heute finden sich bei diesem Volke eine Anzahl lautenartiger Instrumente wie die Oud selbst, Tambura mit 2 bis 8, Baglama mit 3, Sewuri mit 5 Metallsaiten. Von Spanien kam sie nach Deutschland herüber und war hier wie auch in Italien, Frankreich, England und den Niederlanden ehedem ungemein beliebt und wurde beinahe vor allen anderen Instrumenten von Künstlern und Musikliebhabern gepflegt. Mit Verlauf des vorigen Jahrhunderts [18. Jh.] aber ist sie nach und nach außer Gebrauch gekommen und gegenwärtig [Mitte des 19. Jh.] der Vergessenheit gänzlich anheimgefallen.

Das Korpus ist der Schale einer Schildkröte nicht unähnlich geformt, aus dünnen Spänen von hartem Holze streifenweise zusammengefügt, nach dem oberen Ende, wo der Hals ansetzt, oval zulaufend. Die Decke bildet ein flacher oder nur ganz wenig gewölbter Sangboden, Dach genannt. Der Hals und das darauf befestigte Griffbrett sind ziemlich lang und breit, die Tongriffe auf letzterem durch Bünde (das Griffbrett quer durchschneidende eingesetzte Stückchen Darmsaite, Elfenbein- oder Metallstreifen) bezeichnet. Am oberen Ende des Halses ist eine einfache Holzplatte angesetzt und nach rückwärts gebogen (der Kragen) oder auch ein ausgeschnitzter Wirbelkasten befestigt, worin die Saitenwirbel laufen. Zwischen Hals und Kragen befindet sich der Sattel, auf dem die Saiten aufliegen. Die den Stimmwirbeln entgegengesetzten Saitenenden sind in einem flachen Stege (Saitenfessel), der wie bei der Guitarre auf dem Sangboden selbst aufgeleimt ist, mit Knoten eingehängt und durch Stifte (Patronen) festgekeilt; mitunter aber scheint man, wie aus der Abbildung einer theorbenartigen Laute bei Prätorius zu schließen, den Saitenhalter auch am Korpus selbst, dicht unter der hinteren Kante des Sangbodens, angebracht zu haben, wie bei der Zither, in welchem Falle dann noch ein niedriger Steg auf dem Sangboden vorhanden war. Ungefähr in der Mitte zwischen Saitenfessel und Ansatzpunkt des Halses ist die Decke mit einem runden, etwa 3 Zoll im Durchmesser haltenden, oft schön umrandeten und mit Figuren ausgesetzten Schallloche durchbrochen.

Bei der soeben erwähnten, erst später in Gebrauch gekommenen theorbenartigen Laute (Testudo theorbata) hatte außerdem der Hals noch eine Verlängerung mit einem zweiten Kragen (Theorbenkragen), "welcher neulig dazu erfunden", sagt Prätorius um 1619, und woran die Wirbel für eine Anzahl neben dem Griffbrette laufender Saiten sich befanden. Der über dem Griffbrett liegende Saitenbezug war, mit Ausnahme der beiden obersten Melodie-(Sang-)Saiten in späterer Zeit, stets doppelchörig.

Anfangs war die Zahl der Saiten nur gering, vermehrte sich nach und nach aber stark; ursprünglich hatte man nur vier Saitenchöre, in c f a d gestimmt, dann wurde oben ein fünfter, das g', hinzugefügt (c f a d' g') und außerdem unter dem c noch ein sechster, das Γ ut, also: G c f a d' g'. Bei den alten deutschen Lautenisten hießen diese sechs Saiten: Großbrummer, Mittelbrummer, Kleinbrummer, Großsangsait[e], Kleinsangsait und Quintsait; später, ebenfalls von unten herauf, aber ohne die G-Saite: Prime, Sekund, Terz, Quart und Quint; in Italien, Frankreich, England und den Niederlanden wurde aber umgekehrt die Prime il quinto (la Basse contre), die Sekund, Terz etc il quarto, terzo, secondo, die Quint il canto (Soprano, Chanterelle) genannt. Noch im Laufe des 16. Jahhunderts findet sich eine siebente Saite, Groß F, bei den Lautenvirtuosen Hans Gerle zu Nürnberg 1554, Seb. Ochsenkun 1558 und Melch. Neusiedlier 1590. Nach und nach stieg die Zahl der Saiten über dem Griffbrette auf 8, 9 bis 12 und 13 Chor; bei 13 Saiten waren die obersten beiden ein-, die übrigen 11 zweichörig. Die Stimmung jener alten fünf Saiten aber blieb immer dieselbe und Grundlage, die übrigen hinzugekommenen stimmte jeder Lautenist nach Befinden und Maßgabe des auszuführenden Gesanges. Zu Prätorius' Zeit bediente man sich meistenteils jener damals noch nicht lange aufgekommenen theorbenartigen Laute mit verlängertem Halse und einem zweiten Kragen, auf dem Griffbrette mit 7 bis 8 doppelten und neben demselben mit 6 einfachen Saiten bezogen (diese Anzahl steigerte sich noch bis zu 14 Saiten über und 10 neben dem Griffbrette, also bis zu 24 Saiten im Ganzen), welche letzteren zum Grundbasse der Harmonie dienten, "den Bass trefflich sehr zieren und prangend machen. Und ist unter dieser Lauten und der Theorba kein sonderlicher Unterschied, als dass die Laute auf dem Griff und den Bünden doppelte Saiten; die Theorba aber durch und durch nur einfache Saiten haben" (Prätorius II. 50).

Die neben dem Griffbrette liegenden Saiten hingen mit den über demselben befindlichen an einer gemeinsamen Saitenfessel und liefen mit ihnen parallel; da sie aber nicht durch Aufsetzen der Finger verkürzt werden konnten, mussten sie umgestimmt werden, wenn man aus anderen Tonarten spielen wollte, was denn freilich unbequem genug war. Überhaupt können Festigkeit und Reinheit der Stimmung schwerlich zu den Vorzügen der Laute gehört haben, wie aus dem im Verhältnis zur Kleinheit und Schwäche des ganzen Instrumentes übergroßen Saitenzahl leicht erklärlich; daher mag Matthesons Äußerung, dass ein 80 Jahre alter Lautenist gewiss an die 60 Jahre mit Stimmen verbracht habe, nicht ganz der Begründung entbehren.

Dieser Schriftsteller ist überhaupt nicht gut auf die Laute zu sprechen; er sagt (Orch. I. 274), dass sie in der Welt mehr Partisans hätte als sie meritire, ihre Professores frügen nicht ein Härchen nach der musikalischen Wissenschaft. Der insinuante Klang dieses betrügerischen Instrumentes verspreche allezeit mehr als er halte, käme man aber ein wenig hinter die barmherzigen Künste, so fiele alle Gutheit auf einmal weg. Überdies fehle es bald an den Saiten, bald an den Bünden oder Wirbeln, "so dass ich mir habe sagen lassen, es koste zu Paris einerlei Geld, ein Pferd und eine Laute zu unterhalten".

Prätorius nennt sieben Arten von Lauten, nämlich die Gross-Octavbasslaute (Archiliuto), Basslaute, Tenor-, Recht-Chorist- oder Altlaute (die gewöhnlichste), Discant-, Klein-Discant- und Klein-Octavlaute. Verwendet wurde das Instrument wesentlich zur Begleitung sowohl des Solo- als Chorgesanges (die Gross-Octavbasslaute auch ähnlich der Theorbe zum Generalbass) und war überall heimisch, in der Kirche und Kammer, in der Oper und Hausmusik, bei Morgen- und Abendmusiken, ein- und mehrfach besetzt und auch mit anderen Saiteninstrumenten, als Clavicymbeln, Theorben, Bandoren, Orpheoreon, Zithern, Lyren etc., zu selbstständigen oder begleitenden Chören (Lautenchören) verbunden. Zu ihrer Verwandtschaft gehörten neben der mehrfach genannten Theorbe noch die Quinterne, eine kleine mit vier oder fünf Chören bezogene Lautenart, aber mit flachem unserer Guitarre ähnlichem Korpus; die Pandurina (Mandoer, Mandürchen), eine kleine Laute mit 4 (g d' g' d''), zuweilen auch mit 5 Chor-Saiten bezogen; die Pandora (Bandoer) mit einfachen, auch doppelt, drei- und vierfach gedrehten Messing- und Stahlsaiten, sechs- bis siebenchörig, in England erfunden; das Penorcon, der Pandora ähnlich, aber bei größerer Breite des Halses etwas kürzer, mit 9 Chor-Saiten bespannt; das Orpheoreon endlich, an Größe zwischen Penorcon und Bandoer die Mitte haltend, nach Art mit ihnen übereinkommend. Die drei letztgenannten Instrumente hatten, gleich der Quinterne, ein flaches guitarrenartiges Korpus. Alle diese Abarten lernte man sehr leicht spielen, wenn man auf der eigentlichen Laute, "als dem Fundament und initium", etwas Tüchtiges vor sich gebracht hatte.

Über die von unserer gewöhnlichen Notierungsart abweichende Tonschrift, deren man für die Laute sich bediente, Lautentabulatur genannt, vergleiche den Artikel Tabulatur. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 505f]