Musiklexikon: Was bedeutet Falso bordone?

Falso bordone (1882)

Falso bordone (italienisch; französisch: Faux-Bourdon) nannte man in der Zeit der beginnenden Entwickelung der Mehrstimmigkeit eine besondere, und zwar die einfachste Art derselben, die bis ins 16. Jahrhundert geübt wurde und die darin bestand, dass die begleitenden Stimmen über dem den Cantus firmus führenden Tenor in Terzen und Sexten mitgingen, so dass eine Folge von Sextakkorden entstand - mit Ausnahme des Anfangs- und Schlussakkords, bei welchen die Oberstimme mit dem Tenor eine Oktave bildet, während die zweite Stimme die Quinte sang. [Reissmann Handlexikon 1882, 135]

Falso bordone (1865)

Falso bordone, faux bourdon (falscher Bass, falsche Unterstimme). Benennung einer alten Gattung des Kontrapunktes, von der im Laufe der Zeit mehrere voneinander ziemlich abweichende Arten vorkommen.

1) Die älteste Art ist ein dreistimmiger Satz über Melodien der Psalmodie, in welchem die Oberstimme (Sopran oder Contralt [sic]) den Canto fermo hat. Die Mittelstimme (Contralt oder Tenor) begleitete sie in Unterquartparallelen und die Unterstimme (Tenor oder Bass, Bordone) in Parallelen von großen und kleinen Sexten der diatonischen Tonleiter. Der ganze Satz war also nichts als eine Folge von Sextakkorden, nur am Schluss traten die Ober- und Unterstimme in die Oktave, die Mittelstimme in die Quinte. Von dem Umstand, dass die eigentliche Grundstimme der Akkordfolge nicht der Bass, sondern der in der Oberstimme liegende Canto fermo ist, während die umgekehrte Terz der Dreiklänge den Bass abgibt, schreibt sich der Name Falso bordone her. Diese Art Gesang, welche in einzelnen Fällen noch heutigen Tages [Mitte des 19. Jh.] in der päpstlichen Kapelle vorkommen soll, nannte man Psalmodieren mit dem Falso bordone. In Italien ist sie durch französische Sänger, welche Gregor XI. mitbrachte, als er 1378 den päpstlichen Stuhl in Rom wieder bestieg, bekannt geworden, Joannes de Muris (1320) weiß noch nichts davon, erst Adam de Fulda und Gafor erwähnen sie.

Die späteren Bedeutungen, welche dieser Ausdruck erhielt, sind nicht so leicht zu erklären, wenn man sie nicht als auf andere Behandlungsweisen der Melodien der Psalmodie einfach übertragen ansehen will. In späterer Zeit wurde der Ausdruck angewendet
2) auf eine Art regelmäßigen vierstimmigen, aus lauter Konsonanzen und nur mit einigen Ligaturen in der Kadenz bestehenden Kontrapunktes zu einer in einer der vier Stimmen liegenden Melodie des Canto fermo, und, wie diese Melodien selbst, ohne eigentliche Takteinteilung. Baini [Memorie storico-critiche della vita..., Rom 1828] sagt, dass diese Art des Falso bordone in allen Kapellen bis auf seine Zeit sich erhalten habe, ohne jedoch eine nähere Erklärung der Setzart zu geben, woraus man auf eine besondere Bedeutung des Namens schließen könnte.

3) Im 17. Jahrhundert entstand unter demselben Namen eine in Rom eine Zeit lang beliebt gewesene Art, die Psalmodie vorzutragen, deren Eigentümlichkeit darin beruhte, dass die betreffende Melodie als Bass auf der Orgel ausgeführt wurde, während eine einzelne Stimme als Contrappunto alla mente (siehe dort) mit Passagen, Appogiaturen, Trillern und Kunststücken aller Art darüber frei figurierte. Die vier Stimmen wechselten von Vers zu Vers, der Canto fermo im Bass aber durfte nicht geändert werden.

In Heinrich Schütz' Vorrede zu seiner Auferstehung (1623) findet sich auch der Ausdruck falsobordon [sic] angewendet
4) auf den Sprechton in der Psalmodie, in welchem eine Anzahl Silben nacheinander auf demselben Tone gesungen werden und nur hin und wieder melodische Bewegungen vorkommen und zu dem, so lange er dauert, der Bass oder Akkord ausgehalten wurde. "Falso bordone ist wenn in einem Gesang viel syllaben oder Wörter unter einer einigen Noten gesungen werden"; Isagoge Artis Musicae von Christoph Demantius, Freiburg 1656 (Apendix). Und zwar erinnert Schütz den Organisten, dass "solange der falsobordon in einen thon weret, er auf der Orgel, oder Instrument, mit der Hand jmmer zierliche vnd appropiirte Leuffe oder passaggi darunter mache, welche diesem Werke, wie auch allen andern falsobordonen die rechte Art geben". [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 295]

Falso bordone, Faux-bourdon (1840)

Falso bordone, Faux-bourdon (siehe dort). Mit diesem Ausdruck bezeichnen die älteren Tonlehrer die Verlegung des Cantus firmus in eine Unterstimme und die Ausfüllung einer großen Note, z. B. der Longa oder Maxima, mit mehreren Silben. [Gathy Encyklopädie Musik-Wissenschaft 1840, 120]