A (1802)
A. Mit diesem ersten Buchstaben des Alphabets bezeichnet man in der modernen Musik die sechste diatonische Stufe oder [= bzw.] die zehnte Saite der diatonisch-chromatischen Tonleiter unseres Tonsystems, die in der Solmisation a la mi re, a mi la oder auch la genannt wird.
Vierzehn Jahrhunderte hindurch begrenzte unser großes A die Tiefe aller gebräuchlichen Töne.(1) Athen und Rom begnügten sich an einem Umfange von fünfzehn Tönen, die auf eine sehr weitläufige Art mit griechischen Buchstaben bezeichnet wurden (siehe den Artikel Noten), bis der Papst Gregorius Magnus gegen das Ende des sechsten Jahrhunderts zu ihrer Bezeichnung die sieben ersten Buchstaben des lateinischen Alphabetes einführte, die in der höheren Oktave wiederholt wurden. Weil nun A der tiefste Ton war, dessen man sich damals bediente, so viel auf ihn das Zeichen des ersten Buchstabens. Im elften Jahrhunderte erweiterte der Benediktinermönch Guido aus Arezzo das alte Tonsystem und fügte demselben auch in der Tiefe noch einen Ton hinzu, den er mit dem griechischen Gamma (Γ) bezeichnete. Späterhin wurden nach und nach auch noch die Töne F, E, D und C in der Tiefe hinzugesetzt, so dass anjetzt der Ton A, der sonst der erste war, in dem modernen Tonsysteme, welches mit C anfängt, der sechste ist.
Der Ton a kann schon in der Reihe der sogenannten ursprünglichen Töne, das ist, in der harten Tonleiter des Tones C, nicht in seiner völligen Reinheit ausgeübt werden. Als große Sexte des Grundtones C sollte er in dem Verhältnis 3/5 gebraucht werden, oder mit anderen Worten, a sollte auf das genaueste 3/5 von der Länge der Saite C betragen (siehe Verhältnis). In diesem Verhältnis würde er aber zu dem Tone d eine Quinte ausmachen, die um das syntonische Komma 80/81 zu tief ist.(2) Weil aber unser Ohr bei einem Intervall, dessen Verhältnis der Unität so nahe ist, wie das Verhältnis der Quinte, den Mangel oder Überschuss eines ganzen Komma, ohne Beleidigung nicht vertragen kann, so wird der Ton a um das geringe Verhältnis 160/161 höher genommen, und als Sexte zu C in dem Verhältnis 96/161 ausgeübt. Dadurch gewinnt man den Vorteil, dass er als Quinte zu d in dem Verhältnis 108/161 erscheint, in welchem ihm nur noch, als völlig reine Quinte, das geringe Verhältnis 161/162 mangelt. Auf diese Art nimmt unser Ohr die Sexte C-a und die Quinte d-a für völlig rein an, weil jene nur einen unbeträchtlichen Überschuss, diese aber nur einen unbeträchtlichen Mangel an ihrer völligen Reinheit hat.(3)
1 Nämlich von den Zeiten des Aristoxen an, der 340 Jahre vor Christo lebte, bis zum Guido aus Arezzo, der im elften Jahrhundert das alte Tonsystem erweiterte. Siehe Solmisation.
2 Die Ursachen hiervon findet man in dem Artikel "Verbindung der Verhältnisse".
3 Ich [H. Chr. Koch] bediene mich in diesem Werke [Musiklexikon 1802] der Kirnbergerschen Temperatur, weil sie von den mehreren Theoristen [um 1800] für die beste gehalten wird. Übrigens ist aber für Ungeübte in der mathematischen Klanglehre noch zu bemerken, dass sie über Gegenstände dieser Art einigen Unterricht in den Artikeln "Verhältnis", "Addition der Verhältnisse", "Subtraktion der Verhältnisse", "Reduktion der Verhältnisse", "Vergleichung der Verhältnisse" und "Verbindung der Verhältnisse" finden, die sie aber in der hier angezeigten Ordnung durchgehen müssen, wenn sie ihnen verständlich werden sollen.
[Koch Musikalisches Lexikon 1802, 1ff]