Musiklexikon: Was bedeutet Ritornell?

Ritornell (1929)

Ritornell (italienisch, ritornello, "Wiederkehr"),

  1. in den Madrigalen der Florentiner Meister des 14. Jahrhunderts der bei mehrstrophigen Gedichten stets mit demselben Text wiederholte zweite Teil der Komposition, also ein Refrain. Das Ritornell ist auch selbst noch zweiteilig, d. h. gibt zwei Textzeilen mit derselben Melodie (wie die piedi der Ballade) und muss entschieden als ein Überbleibsel alter volkstümlicher Formen angesehen werden. Primitivere Vorstufen dieser Form hat die Frottola (siehe dort) bis um 1500 konserviert, in der das Ritornell noch auffälliger sich geltend macht. Vgl. Riemann, Handbuch der MG. II, I, S. 57ff.
  2. in Gesangskompositionen im monodischen Stil nach 1600 rein instrumentale, den Gesang ablösende Teile; nach Praetorius' Aussage (1615) spielte man sogar in der Kirche Instrumentaltänze als Ritornell zwischen kirchlichen Gesängen. Eine nicht unbedeutende Rolle spielt dann das Ritornell im deutschen Strophenlied des 17. Jahrhunderts. Auch in der großen Da-capo-Arie der neapolitanischen Oper bildet das instrumentale Ritornell einen wesentlichen Bestandteil; mit Transposition in andere Tonarten spielt es seine letzte Rolle in den Instrumentalkonzerten des 18. Jahrhunderts bis zur Übertragung der Sonatenform auch auf den ersten Satz des Konzerts. Vgl. Formen, siehe auch Rondeau.

[Einstein/Riemann Musiklexikon 1929, 1526]

Ritornell (1802)

Ritornell, Ritornello. Dieser von dem italienischen Wort ritorno (Wiederkehr oder Zurückkunft) abstammende Ausdruck bezeichnet ursprünglich eine kurze Periode, die bei Singstücken mit Instrumentalbegleitung vor dem Eintritt der Singstimmen von allen begleitenden Stimmen als eine Art von kurzer Einleitung vorgetragen und sowohl zwischen den Hauptteilen des Stückes als auch bei dem Schluss desselben wiederholt wurde.

Anjetzt [um 1800] versteht man unter Ritornell diejenige Einleitung einer Arie, eines Chors oder eines Konzertes, die vermittelst vollständiger Instrumentalmusik gemacht wird und in welcher die Hauptgedanken des ganzen Tonstücks in einer eigenen Form und Verbindung derselben vorgetragen werden, um die Zuhörer auf den Inhalt des Ganzen aufmerksam zu machen und zu dem Genuss desselben vorzubereiten.

Zwischen den Hauptteilen des Satzes wird alsdann dieses Ritornell in derjenigen Tonart, in welche die Modulation geleitet worden ist, zum Teil wiederholt. Jedoch geschieht dieses gemeiniglich in einer anderen Wendung und Verbindung der melodischen Teile, woraus es besteht. Diese Wiederholung dient teils dazu, um dem Sänger oder Konzertspieler nach dem Vortrag eines Hauptteils des Stückes Zeit zu einiger Erholung zu lassen, teils auch, um die Hauptteile des Ganzen dadurch aneinander zu ketten und Einheit und Zusammenhang ins Ganze zu bringen.

Am Ende des Tonstückes wird gemeiniglich der Schlusssatz des ersten Ritornells ohne merkliche Abänderung wiederholt, oft aber auch diesem Schlusssatz noch ein besonderer Anhang beigefügt, durch welchen das Stück völlig zur Ruhe gebracht wird.

Bei Arien und Chören wird oft das Anfangsritornell ausgelassen und ein solches Tonstück sogleich mit dem Hauptvortrag angefangen. Dieses geschieht alsdenn, wenn in der Poesie der Schluss des Rezitativs mit dem Anfang der Arie so genau zusammenhängt, dass man beide der Natur der Sache zu Folge nicht ohne Unschicklichkeit durch das Ritornell trennen kann.

Über die Bearbeitung und Formen der Ritornelle findet man weitläufigeren Unterricht in dem dritten Teil meines Versuches einer Anleitung zur Komposition, S. 242 und 333. [Koch Musikalisches Lexikon 1802, 1268f]