Cadenz (1840)

Cadenz [heutige Schreibweise: Kadenz], Cadenza [italienisch], Schlussfall, Tonschluss. Jede Folge von Tönen, welche dem Ohre den Schluss einer musikalischen Periode fühlbar macht oder das Gefühl einer Ruhe erweckt. Im weiten Sinne auch jede Auflösung eines dissonierenden Akkords in einen konsonierenden.

Entweder ist der eintretende Ruhepunkt der Art, dass der musikalische Sinn der Periode nur aufgehalten wird, ohne beendigt zu sein, oder er ist so fühlbar, dass der Sinn als völlig geschlossen erscheint und das Ohr nichts Nachfolgendes erwarten kann. Dieser vollkommene Ruhepunkt wird durch die vollkommene Kadenz, cadence parfaite [französisch], den eigentlichen Tonschluss, herbeigeführt - jene durch die unvollkommene oder Halbkadenz, cadence imparfaite.

  1. Die vollkommene Kadenz führt die Modulation in den Hauptton zurück und schließt mit der Auflösung des Dominant- oder Septimenakkords in den harmonischen Dreiklang auf der Tonika. Notenbeispiel a.Kadenz (Gathy 1840)
  2. Die Halb- oder Mittelkadenz bildet einen Absatz auf dem Dreiklang der Dominante oder einer Nebentonart, in welche man ausgewichen ist. Durch sie wird ein Teil einer Hauptperiode von dem anderen abgesondert. Notenbeispiel b.
    Kadenz (Gathy 1840)
  3. Folgt auf den Septimenakkord statt des Schlussakkords ein anderer, so entsteht die Trugkadenz oder der Trugschluss, cadenza d'inganno [italienisch], cadence rompue [französisch]. Hier folgen die wichtigsten: Notenbeispiel c.
    Kadenz (Gathy 1840)
  4. Wenn die erwartete Auflösung des Septimenakkords plötzlich abgebrochen wird und erst nach einer Pause zum völligen Schluss führt, so entsteht die unterbrochene Kadenz: Notenbeispiel d.
    Kadenz (Gathy 1840)
  5. und die vermiedene Kadenz, wenn ein Septimenakkord in einen anderen sich auflöst und so der völlige Schluss verdrängt oder verzögert wird. Notenbeispiel e.
    Kadenz (Gathy 1840)
  6. Die große Kadenz, auch plagalischer Schluss genannt, ist die, bei welcher statt der Oberdominante die Unterdominante der Tonika vorausgeht. Notenbeispiel f.
    Kadenz (Gathy 1840)

    Sie kommt häufig in Kirchenmusiken vor.

Tonschluss (Gathy 1840)

Kadenzen

Unter Kadenz versteht man ferner noch jene Verzierung oder freie Fantasie, die der Willkür des Spielers oder Sängers zur Ausführung der gewöhnlich vor dem Hauptschluss der Solostimmen befindlichen Schlussfermate vom Komponisten überlassen und wobei mittelst einer über die Dauer ihrer Geltung ausgehaltenen Note der vollkommene Schluss aufgehalten wird; siehe Fermate. Man nennt sie figurierte oder melodische Kadenz, cadenca fiorita [italienisch], zum Unterschied von den vorigen, harmonischen. Die [um 1840] neueren Komponisten pflegen bei vorkommenden Schlussfermaten die Verzierungen mit kleinen Noten anzugeben. [Gathy Encyklopädie Musik-Wissenschaft 1840, 55]