Musiklexikon: Was bedeutet Verwechslung der Auflösung?

Verwechslung der Auflösung (1879)

Verwechslung der Auflösung ist das Verfahren, nach welchem eine andere Stimme die Auflösung einer Dissonanz übernimmt, als die, welche sie zuerst einführte. Sie findet im Grunde nur bei einer Wiederholung des dissonierenden Akkordes in anderer Lage statt.

Verwechslung der Auflösung (Mendel/Reissmann)

Verwechslung der Auflösung (Mendel/Reissmann)

Verwechslung der Auflösung (Mendel/Reissmann)

In den beiden vorstehenden Fällen a) und b) wird die Septime von der Oberstimme eingeführt, aber erst von der Unterstimme, die bei der veränderten Lage des Akkordes sie übernimmt, aufgelöst. Bei c) führt die zweite Stimme die Septime ein und gibt sie dann an die Oberstimme ab, welche sie erst auflöst. [Mendel/Reissmann Musikalisches Lexikon 1879, 32f]

Verwechselung der Auflösung (1865)

Verwechselung der Auflösung, die Vollziehung der Auflösung einer harmonischen Dissonanz durch eine andere Stimme. Diejenige Stimme, in welcher die Dissonanz aufgetreten ist, löst sie also nicht selbst auf, sondern überlässt sie einer andern Stimme und schreitet, während diese die Auflösung regulär vollzieht, in ein anderes Intervall fort. In Beispiel a übernimmt der Bass die vorher im Sopran liegende Septime und löst sie regelmäßig [regelgerecht] abwärts auf, während der Sopran in die Terz abspringt. Ähnliches findet unter b mit der verminderten Quint zwischen Sopran und Tenor statt:

Verwechslung der Auflösung (Dommer 1865)

Verwechslung der Auflösung (Dommer 1865)

Verwechslung der Auflösung (Dommer 1865)

In der freien wie auch in der strengen Schreibart ist diese Verwechselung der Auflösung etwas sehr gewöhnliches. Doch findet sie überhaupt nur auf harmonische Dissonanzen (Septime und verminderte Quint) Anwendung, auf melodische (Vorhalte, durchgehende und Wechselnoten) nicht, und unter den Septimen wiederum hauptsächlich nur auf die kleine des Dominant- (auch des kleinen) Septimenakkordes und die verminderte, weil diese auch in allen Arten Umkehrungen leicht fasslich sind. Die große Septime aber ist von so scharfer Dissonanz, dass sie unbedingt von derselben Stimme nicht nur aufgelöst, sondern auch vorbereitet sein will, ihr Überspringen aus der vorbereitenden Stimme in eine andere wird in jener als Störung des natürlichen Stimmenganges, in dieser als unvorbereitete Härte empfindlich werden. Die melodischen Dissonanzen lösen sich nur in derjenigen Stimme auf, in welcher sie ja eben mit dem Zwecke melodischer Bewegung und Bereicherung auftreten. Auf Vorhalte, Wechsel- oder durchgehende Noten ist Verwechselung der Auflösung daher nicht anwendbar. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 921f]