Symphonie (1882)

Symphonie (griechisch: Symphonia, italienisch: Sinfonia, "Zusammenklang") ist im griechischen Altertum der Terminus für das, was wir jetzt Konsonanz der Intervalle nennen. Als zu Anfang des 17. Jahrhunderts in Florenz sich die Oper entwickelte, erhielt die (sehr kurze) Instrumentaleinleitung den Namen Symphonie, welcher vielleicht auch schon den Instrumentalstücken der im Madrigalenstil komponierten Pastorales eignete. Die Symphonie entwickelte sich zunächst besonders in der neapolitanischen Oper. Ihre Vorgeschichte ist durchaus die der Ouvertüre (siehe dort), welche bekanntlich außer in Frankreich auch den Namen Symphonie weiterführte. Je ausgeführter ihre Form wurde, desto mehr eignete sie sich zum Konzertvortrag, und um die Mitte des vorigen Jahrhunderts [des 18. Jh.] begannen die Komponisten (Grétry, Gossec, Sammartini, Stamitz, Cannabich) separate Symphonien für allmählich vergrößertes Orchester zu schreiben und trennten die drei bis dahin noch lose zusammenhängenden Teile der Ouvertüre.

Haydn vollendete die Form durch Übertragung der indes durch D. Scarlatti und Ph. E. Bach entwickelten Form des Sonatensatzes, welcher seinerseits erst kurz vorher von der Ouvertüre den Kontrast mehrerer Themata angenommen hatte. Haydn war es auch, der zwischen den langsamen [Satz] und den Schlusssatz das Menuett einschob (ebenfalls im Anschluss an die Sonate). Viel höher aber steht noch das Verdienst Haydns, die Orchesterinstrumente nach ihrer Klangfarbe individualisiert zu haben. Damit hat er erst die Symphonie zu dem gemacht, was sie heute [um 1880] ist.

Was Mozart und besonders Beethoven hinzugebracht haben, ist hauptsächlich die Verschiedenheit ihrer eigenen Natur. Der jovialere Haydn scherzt und neckt in seinen Symphonien, der sinnige Mozart schwärmt und der finstere, leidenschaftliche Beethoven grollt oder reißt mit sich fort. Zudem hat Beethoven das Orchester erheblich vergrößert (vergleiche Orchester). Eine Neuerung von ihm ist auch die Ersetzung des Menuetts durch das Scherzo sowie in der neunten Symphonie die Einführung des Chors und die Umstellung der Sätze Adagio und Scherzo, die seitdem mehrfach nachgeahmt wurde. Beethoven hat den Inhalt der Symphonie im ganzen bedeutungsvoller, die tiefsten Tiefen des Seelenlebens ergreifend gestaltet und die einzelnen Sätze zu längerer Dauer ausgeführt sowie dem Finale statt der rondoartigen mehr eine an Form und Charakter dem ersten Satz nahekommende Gestalt gegeben.

Die Symphoniker seit Beethoven haben die Form nicht mehr weiter zu entwickeln vermocht, nichtsdestoweniger würde es ein arger Fehlschluss sein, wollte man sie als ausgelebt ansehen. Die Symphonien von Schumann, Brahms, Raff, Rubinstein beweisen, dass sie noch zur Füllung mit immer neuem Inhalt tauglich ist.

Die symphonischen Dichtungen der neuesten Zeit (Berlioz, Liszt, Saint-Saëns) sind nicht Fortbildungen der Form der Symphonie. Der Gedanke ist schon dadurch ausgeschlossen, dass sie eine eigentliche definierbare Form überhaupt nicht haben. Sie gehören zur Kategorie der sogenannten Programmmusik (siehe dort), deren wesentlichste Repräsentanten sie sind. Die Programmmusik ist aber eine gemischte Kunstform, deren Gestaltungsprinzipien nicht musikalischer, sondern poetischer Natur sind. Die Musik nimmt ihnen zwar eine mehr dominierende, aber doch ähnliche Stellung ein wie in der Oper und im neuen Lied. Vergleiche Absolute Musik, Ästhetik, Dramatische Musik etc. [Riemann Musik-Lexikon 1882, 895]