Musiklexikon: Was bedeutet Siciliano?

Siciliano, Alla Siciliana (1865)

Siciliano, Alla Siciliana. Ein Tonstück von ländlich einfachem und zärtlichem Charakter, Nachbildung einer Gattung von Melodien, deren die sizilianischen Landleute zum Tanze sich bedienen. Es steht in einem mäßig bewegten Sechsachteltakt, wird etwas langsamer gespielt als das Pastorale. Das erste Achtel des Taktes pflegt gemeinhin durch einen Punkt verlängert zu sein, das darauf folgende Sechzehntel wird angeschleift. Die zweite Hälfte des Taktes besteht häufig aus einem Viertel und zweien Sechzehnteln oder einem Achtel, es gibt dafür keine feste Regel.

Bei Händel findet man sehr schöne Singsätze Alla Siciliana (z. B. Susanne, Deutsche Händelausg. I. 112; Theodora, ebenda VIII. 141) im Zwölfachteltakt, mit dem punktierten Achtel besonders als erste und siebente, aber auch als zehnte und zuweilen als vierte Note des Taktes, außerdem sehr häufig Viertel und Achtel, mit dem Auftakt anhebend, wie denn das jambische Metrum durchaus vorherrscht. Mehrere Sechzehntel kommen, wenigstens in den beiden genannten Sätzen, gar nicht vor. Übrigens dürfen diese Art Tonstücke nicht zu lang sein, denn ihr Rhythmus wird leicht etwas schleppend und monoton, was man auch durch einen etwas lebendigen aber nicht zu viel markierten Vortrag zu verhindern suchen muss. Manche gehen in einem Zuge fort, andere haben zwei Wiederholungsteile. Die Form ist immer liedartig mit durch Einschnitte bestimmt gegliederten rhythmischen Sätzen. Sie lieben die Molltonart, die dann in der Mitte oder anfangs des zweiten Teiles durch die Durparallele etwas abgewechselt wird.

Früher waren sie als Andantesatz in Sonaten, Symphonien und Konzerten, desgleichen auch als einzelne Sing- und Instrumentalstücke sehr gebräuchlich. Jetzt [um 1865] sind sie fast ganz abgekommen. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 767]

Siciliano, Alla Siciliana (1878)

Siciliano (Alla Siciliana), ein Tonstück von ländlich einfachem, aber zärtlich-schmeichelndem Charakter, ist ein Nachbildung der Melodien, wie sie die Landleute in Sizilien zu singen und zu tanzen pflegen. Die Musik bewegt sich im ruhigen 6/8-Takt und ist im Tempo etwas langsamer als die Pastorale. Eigentümlich und viel wiederkehrend in diesem sizilianischen Tanze ist die rhythmische Figur

Siciliano (Mendel/Reissmann 1878)

typische Rhythmen im Siciliano

Meistens gehen die Sizilianen aus Dur, zuweilen setzten Kunstmusiker (nicht aber das italienische Volk) solche in Moll. Die Form ist immer liedartig. Die festgegliederten zwei oder drei Sätze heben sich durch Einschnitte voneinander ab.

Diese Tanzform wurde früher zu Gesängen in Opern und Oratorien verwendet, zum Beispiel Händel in "Theodora" und in "Susanna" sind reizende Gesangsätze in 12/8-Takt mit Alla Siciliana (nach Sizilianer Weise) überschrieben. In Mozarts "Figaro" ist Susannas Arie ein Siciliano. Aber auch als Instrumentalstück behandelt vertrat früher in Sonaten und Konzerten ein Siciliano die Stelle des Adagio und wurde zuweilen sogar als selbstständiger Instrumentalsatz behandelt.

Jetzt [um 1880] sind die Sing- und Instrumentalstücke dieses Namens ganz außer Gebrauch gekommen. Niemals werde ein Siciliano zu lang ausgesponnen, sonst entsteht ermüdende Langeweile; diese etwa durch rascheres Tempo entfernen zu wollen, widerstrebt dem idyllischen, sanften Charakter dieser Musik. [Mendel/Reissmann Musikalisches Lexikon 1878, 249]