Monodie (1929)

Monodie (griechisch, "Einzelgesang"),
1) der einstimmige Gesang ohne Begleitung, wie er im Altertum und auch im Mittelalter bis etwa zum 9. Jahrhundert allein geübt wurde, weshalb das Altertum vorzugsweise das Zeitalter der Monodie genannt wird. Trat im Altertum zum Gesang Instrumentalbegleitung (Kitharodie, Aulodie), so war sie nichts anderes als ein Mitspielen der Melodie. Diese eigentliche Monodie hat nicht nur durch das ganze Mittelalter weiter bestanden, sondern spielt auch heute [um 1930] noch ihre Rolle, nur nicht in der Kunstmusik, wohl aber im Volksgesang. In den Bereich der Monodie gehören der gesamte gregorianische Gesang mitsamt den Hymnen, Sequenzen und geistlichen Liedern, aber auch die Gesänge der Troubadours und Minnesänger. Die Notierungen dieser mittelalterlichen Monodien sind nur Aufzeichnungen der Tonhöhen mit Bestimmung der auf eine Silbe zusammengehörigen Töne (Melismen) vermittels der Neumen (siehe dort) bzw. der Choralnote. Den Rhythmus dieser Gesänge bestimmte die Textunterlage. Vgl. Choralrhythmus, auch Liederhandschriften.

2) Der instrumental begleitete Sologesang, welcher um 1300, wahrscheinlich herausgewachsen aus der Praxis der Troubadours und Jongleurs, in Florenz (siehe dort) aufkam, schnell sich nach Frankreich und Spanien verbreitete und eine erst neuerdings [um 1930] ihrer Bedeutung nach erkannte Blüte des Kunstliedes eröffnete (vgl. Ars nova, Madrigal, Ballade, Caccia). Sie wurde im 16. Jahrhundert durch den durchimitierenden A-cappella-Stil verdrängt und lebte nur in der Gestalt von Arrangements mehrstimmiger Sätze für eine Stimme mit notdürftiger Ersetzung der übrigen durch die Laute oder Klavier (Orgel) weiter. Doch ging das Madrigal in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mehr und mehr von der Durchimitation zur homophonen Satzweise über mit Verlegung der Melodie in die Oberstimme und freier Entwicklung der Harmonieführung zur Verstärkung des Ausdrucks. Man kann solche aus mehrstimmigen Tonsätzen arrangierte Gesänge pseudomonodische nennen. Gegen 1600 kam dann, ebenfalls in Florenz, der rezitativische Stil und der Generalbass (siehe dort) auf, die Vereinigung einer Melodiestimme mit einem stützenden Bass. Diese neue Monodie bildet den Ausgangspunkt der gesamten [um 1930] modernen Musik. Sie meint man gewöhnlich, wenn man von Monodie oder monodischem Stil spricht. [Einstein/Riemann Musiklexikon 1929, 1199]