Musiklexikon: Was bedeutet Arioso?

Der musikalische Fachbegriff "Arioso", kompetente Erläuterungen aus Musiklexika des 19. und 20. Jahrhunderts im historischen Online-Lexikon von musikwissenschaften.de

Arioso (1929)

Arioso (italienisch) heißt ein kurzes melodisches Sätzchen inmitten oder am Schluss eines Rezitativs. Das Arioso unterscheidet sich von der Arie dadurch, dass es keine thematische Gliederung hat, d. h. es ist nur ein Anlauf zu einer Arie. ein lyrischer Moment.

In der älteren Musik bis einschließlich Seb. Bach versteht man aber unter Arioso die in dem älteren, ausdrucksvoll deklamierenden Stile komponierten Gesänge, aus welchen heraus sich erst um die Mitte des 17. Jahrhunderts Arie und Rezitativ durch Differenzierung entwickelten, Gesänge, in denen die rein musikalische Formgebung, wie sie dem Tanzliede von jeher eigen ist und in der Arie (siehe dort) wieder zur Geltung kommt, vermieden wird. Die ersten Opern haben für Sologesänge überhaupt nur diesen Stil, der auch in die kirchliche Komposition (z. B. bei Schütz) übergeht und sich da länger hält als in der Oper. Das eigentliche Rezitativ dringt ja erst seit 1700 auch in die Kirchenmusik ein (vgl. Neumeister). [Einstein/Riemann Musiklexikon 1929, 58]

Arioso (1882)

Arioso, ein kurzer, aber ausdrucksvoller, melodisch gehaltener Gesang, der das Rezitativ zeitweise unterbricht. Wenn dies an irgendeinem Punkte angekommen ist, auf welchem die Empfindung bereits gedrängten, aber nur leicht erweiterten Ausdruck gewinnen soll, so tritt das Arioso ein, entweder vorübergehend, so dass es wieder in das Rezitativ überleitet, oder dass es den Schluss desselben bildet. [Reissmann Handlexikon 1882, 23]

Arioso (1802)

Arioso heißt überhaupt sangbar; man versteht aber darunter insbesondere einen Satz von langsamer Bewegung, dessen Melodie so sangbar und ausdrucksvoll ist, dass sie weiter keiner Verzierungen durch Setz- oder Spielmanieren bedarf.

Das Arioso macht besonders einen wichtigen Teil des Rezitatives und Akkompagnements aus. Wenn sich der Inhalt des Rezitativs zum Lyrischen erhebt, so dass es in einem kurzen Satze die Empfindung der Zärtlichkeit, der Wehmut, der feierlichen Andacht u. dgl. darstellt, so verwechselt dabei der Tonsetzer den gewöhnlichen Rezitativstil mit dem förmlichen Gesang und lässt solche Stellen entweder von der Singstimme, die von dem Basse unterstützt wird, allein oder auch in Begleitung mehrerer Instrumente vortragen, und ein solcher Satz wird im engeren Sinn des Wortes ein Arioso genannt. Ein solches Arioso muss alle Eigenschaften des ausdrucksvollen Gesanges in einem hohen Grade besitzen, weil die Darstellung einer solchen Empfindung dabei nicht so anhaltend und daher nicht so vieler Modifikationen fähig ist wie in der Arie, und weil sich gleichsam der ganze Umfang der Empfindung in einem solchen Satze konzentriert darstellen muss. Daher enthält es ebenso wenig viele melismatische Dehnungen als viele Wiederholungen der Worte, sondern es stellt den ganzen Inhalt und Ausdruck einer Arie im Kleinen vor. Ein solches Arioso tut, zumal bei lang anhaltenden Rezitativen, oft mehr Wirkung als eine ausgeführte Arie. [Koch Musikalisches Lexikon 1802, 163f]