Musiklexikon: Was bedeutet Antizipation?

Antizipation (1929)

Antizipation (lateinisch: Anticipatio, "Vorausnahme") nennt man in der Harmonielehre die Vorausandeutung einer Harmonie, den verfrühten Eintritt von Tönen, die dem auf die nächste schwere Zeit folgenden Akkord angehören, und die zu der Harmonie, während deren sie eintreten, meist dissonieren, aber korrekterweise gar nicht auf sie bezogen, sondern als vorausgenommen, "antizipiert" verstanden werden, zum Beispiel:

Antizipation (Einstein 1929)

Antizipationen

Antizipation (Einstein 1929)

Natürlich sind solche Antizipationen akzentuiert zu bringen.
[Einstein/Riemann Musiklexikon 1929, 51]

Anticipation (1879)

Anticipation [heutige Schreibweise: Antizipation], Vorausnahme; eine Figur, in welcher eine zu einem Basston gegebene und fortschreitende Melodie oder Harmonie ihren Grund und ihre Beziehung erst im nächstfolgenden Basston findet. In harmonisch-chromatischen Fortschreitungen sind am liebsten solche Dissonanzen zu wählen, die unvorbereitet (frei) eintreten können. Antizipation ist der Gegensatz von Vorhalt (siehe dort).

Antizipation (Riewe 1879)

Antizipation, Vorausnahme

Antizipation (Riewe 1879)

[Riewe Handwörterbuch 1879, 18]

Antizipation (1882)

Antizipation (lateinisch, "Vorausnahme") heißt die Bildung, wenn im mehrstimmigen Satz eine oder ein paar Stimmen auf dem schlecht akzentuierten Taktteil Töne der folgenden Harmonie angeben, zum Beispiel:

Antizipation (Riemann 1882)

Antizipation

Dagegen ist bei

Antizipation (Riemann 1882)

keine Antizipation

nicht eine Antizipation, sondern ein dreifacher Vorhalt, was sehr scharf zu unterscheiden ist. [Riemann Musik-Lexikon 1882, 34]