Musiklexikon: Was bedeutet Ambrosianischer Gesang?

Ambrosianischer Gesang (1929)

Ambrosianischer Gesang, der kirchliche Gesang, wie ihn der heil. Ambrosius (siehe dort), Bischof von Mailand, in den Kirchen seiner Diözese einführte. Ambrosius verpflanzte den Halleluja- und Antiphonengesang aus dem Orient nach Italien; auch wird er als der Urheber des Responsorialgesangs angesehen. Da er aber auch den Hymnengesang nicht nur nach Italien brachte, sondern selbst viele Hymnen verfasst hat, und da nach unzweideutigen Zeugnissen des heil. Augustinus die Jubilationen gerade so den Kern des Ambrosianischen Gesangs bildeten wie nachher den des Gregorianischen, so ist allem Anscheine nach der Gregorianische Gesang nichts eigentlich vom Ambrosianischer Gesang Verschiedenes, sondern nur eine umfassende und für die gesamte katholische Christenheit zur Norm gemachte Revision des Kirchengesangs gewesen. Doch scheint die Mailänder Liturgie einzelne abweichende Gebräuche, auch einzelne anderweit nicht übliche Gesänge beibehalten zu haben, auf welche sich Bemerkungen mittelalterlicher Schriftsteller beziehen mögen, wenn sie vom Ambrosianischen Gesange sprechen. Vgl. Vierteljahrsschrift für MW. VII, S. 121.

Die phototypische Reproduktion eines im 12. Jahrhundert geschriebenen Missale Ambrosianum (im British Museum) nebst Übertragung und Kommentar als V. Teil der Paléographie musicale (siehe dort) gibt heute für eingehende Studien über den Ambrosianischer Gesang reiches Material. Noch [um 1930] muss aber die Frage als offen gelten, inwieweit diese Mailänder Liturgie eigentlich ambrosianisch, d. h. wirklich wie die gelasianische und leoninische vorgregorianisch oder aber wie die gallikanische und mozarabische spätere Umbildung ist. Vgl. W. C. Bishop, The Mozarabic and Ambrosian Rites: Four Essays in Comparative Liturgiology (London 1924). Vgl. auch die Arbeiten über Ambrosius von G. Dreves (Freiburg 1893) und Dom Mocquereau (Mailand 1897). [Einstein/Riemann Musiklexikon 1929, 37f]

Ambrosianischer Lobgesang (1929)

Ambrosianischer Lobgesang (Hymnus Ambrosianus) wird der herrliche Gesang Te deum laudamus genannt (vgl. Tedeum); doch ist die Urheberschaft des heil. Ambrosius durchaus nicht verbürgt, vielmehr wahrscheinlich, dass dieser ihn von der griechischen Kirche herübergenommen und nur den Text übersetzt hat (die letzten Zeilen verraten textlich und musikalisch einen späteren Ursprung). Vgl. Riemann, Handbuch der MG. I. 2, S. 42-46. [Einstein/Riemann Musiklexikon 1929, 38]

Ambrosianischer Gesang (1882)

Ambrosianischer Gesang wird der von Ambrosius um 380 in der Mailänder Kirche eingeführte Hymnengesang genannt. Er unterschied sich vom Gregorianischen Gesang dadurch, dass er an die Prosodie streng anknüpfte, das Metrum der Verse beobachte, während Gregor es abstreifte, in gleich langen Noten singen ließ, unter Berücksichtigung der vorletzten Silbe jedes Verses, bei welcher der Ton verdoppelt wird.

Ambrosianischer Lobgesang, Hymnus Ambrosianus, heißt das "Tedeum laudamus" (in der Übersetzung von Luther: Herr Gott dich loben wir). [Reissmann Handlexikon 1882, 17]

Ambrosianischer Lobgesang (1879)

Ambrosianischer Lobgesang, der Choralgesang in den vier ersten authentischen Tonarten der Griechen, den der Kirchenvater Ambrosius zu Mailand (gest. 397) in der abendländischen Kirche eingeführt haben soll, wahrscheinlich den jetzigen Wechselgesängen, Responsorien und Kollekten zu vergleichen, besonders aber der bekannte, in Prosa geschriebene Hymnus: "Te Deum laudamus" (Herr Gott, dich loben wir!). Luther übersetzte diesen Gesang ins Deutsche und nahm mit der Melodie desselben wesentliche Veränderungen vor, ohne dass ihr ursprünglicher ernster und feierlicher Charakter dabei verloren hat. [Riewe Handwörterbuch 1879, 16]

Ambrosianischer Gesang (1865)

Ambrosianischer Gesang. Die älteste Art christlich kirchlichen Gesanges, über die wir Nachrichten haben, so benannt nach Ambrosius, Bischof zu Mailand, der ihn im Jahre 380 eingeführt haben soll.

Die herrschenden Ansichten von seiner eigentlichen Beschaffenheit gründen sich mehr nur auf Vermutungen als auf sichere Kenntnisse. Fast mit Gewissheit anzunehmen ist, dass er ein noch einfacherer Gesang gewesen als der Gregorianische, und es scheint mindestens zweifelhaft, ob eine wirkliche Melodie im eigentlichen Sinne ihm zugeschrieben werden darf. Man kann eher vermuten, dass der Sprechton darin vorgeherrscht, die Stimme den Anfangston im wesentlichen festgehalten und nur am Ende des Verses eine melodische Biegung oder auch wohl mitunter eine Art Neuma gemacht habe - eine Art rezitierenden Vortrags, welche in unseren Kollekten und Responsorien bis auf den heutigen Tag sich erhalten hat. Gregor soll die Ambrosianische Vortragsweise auch nur für diese beiden Gattungen von Ritualgesängen beibehalten haben, indem sie ihm für Psalmen und Hymnen, wofür sie vor ihm ebenfalls gedient hatte, zu einfach erschien.

Bestimmte und abgeschlossene Tonreihen aber müssen dem Ambrosianischen Gesänge nichtsdestoweniger als Grundlage gedient haben, wenigstens soll Ambrosius aus den griechischen Oktavgattungen vier für seinen Gesang ausgewählt haben, nämlich die Phrygische D-d, Dorische E-e, Hypolydische F-f, und Hypophrygische (ionische) G-g, von den alten Schriftstellern christlicher Zeit Protus, Deuterus, Tritus und Tetrardus tonus (erster, zweiter, dritter und vierter Ton) und auch mit den griechischen Provinznamen, aber in veränderter Ordnung (Dorisch D-d, Phrygisch E-e, Lydisch F-f, und Mixolydisch G-g, siehe Tonart) benannt. Doch wissen wir nichts Gewisses von der Anwendung dieser Tonarten im Ambrosianischen Gesang.

Ob Ambrosius seine Gesänge zu notieren verstanden hat, ist ebenfalls zweifelhaft (von seinem Antiphonale sollen noch im späteren Mittelalter Abschritten mit Noten vorhanden gewesen sein, aber man weiß von deren Beschaffenheit ebenso wenig etwas Sicheres). Doch lässt sich annehmen, dass er der griechischen Notation sich bedient habe, die ihm doch bekannt gewesen sein muss, da die ganze italienische Musik des Mittelalters von der griechischen Theorie ausging. Jedenfalls aber mag die Echtheit des Gesanges bald sich verloren und durch die unvollkommene Überlieferung mannigfache Entstellung sich eingeschlichen haben, weshalb Gregor späterhin sich veranlasst sah, eine Reinigung und Erneuerung des Kirchengesanges vorzunehmen, wobei dann allerdings das, was vom Ambrosianischen Gesang bis dahin noch etwa echt und unverfälscht sich erhalten haben mochte, in der neuen Gesangsart aufgegangen sein wird.

Vom Gregorianischen Gesang unterschied sich der Ambrosianische, neben der unzweifelhaft noch bei weitem einfacheren Melodie, besonders durch seine metrische Einrichtung. Der Gregorianische cantus choralis war planus, bestand nur aus Noten von gleicher Zeitdauer, der Ambrosianische Gesang hingegen hatte, ähnlich der hebräischen Psalmodie, geregelte metrische Länge und Kürze, dem Sprachakzent entsprechend, eine Eigenschaft, die ebenfalls die Ansicht unterstützt, dass er mehr eine erhöhte Deklamation gewesen sei und als solche mehr das Sprachmetrum als die melodische Biegung berücksichtigt habe. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 46f]

Ambrosianischer Lobgesang (1865)

Ambrosianischer Lobgesang wird der uralte, in allen Kirchen bis auf heutigen Tag gebräuchliche Lobgesang Te deum laudamus genannt, weil man die Dichtung desselben dem Bischof Ambrosius von Mailand ehemals zugeschrieben hat. Der Sage nach soll er bei Augustins Taufe von ihm und Augustin selbst gesungen und beiden auf einmal eingegeben sein. Spätere Forschungen aber haben bis zu völliger Sicherheit erwiesen, dass er ein ursprünglich orientalischer, durch die griechische Kirche an die lateinische übergegangener Hymnus ist. Vergl. Rambach, Anthologie christl. Kirchenges. I. 91f; Fortlage, Gesänge christl. Vorzeit, S. 367.

Ambrosius genoss einen solchen Ruhm als Hymnendichter, dass man lange Zeit nach ihm Hymnen, die den seinigen bezüglich der Versart nachgebildet waren, Ambrosianische Hymnen nannte, sogar den Ausdruck Ambrosianus gleichbedeutend mit Hymnus überhaupt gebrauchte. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 47]

Ambrosianischer Gesang (1802)

Ambrosianischer Gesang. Heutzutage versteht man darunter das von dem Mailändischen Bischof Ambrosius in dem vierten Jahrhunderte verfertigte Te Deum laudamus. Von den Zeiten des Ambrosius bis zu der Reform der Musik, die der Papst Gregorius Magnus im sechsten Jahrhunderte veranlasste, wurde unter dem Ambrosianischen Gesange der Choralgesang in den ersten vier authentischen Tonarten der Griechen verstanden, den Ambrosius in der abendländischen Kirche eingeführt haben soll. [Koch Musikalisches Lexikon 1802, 140]