Musiklexikon: Was bedeutet Accentus ecclesiasticus?

Accentus ecclesiasticus (1865)

Accentus ecclesiasticus, der Kollekten-, Episteln-, Evangelien-, Lektion- etc. Ton. Eine der beiden Hauptklassen (accentus und concentus), in welcher der Gregorianische Kirchengesang geschieden zu werden pflegt, nämlich der nach den grammatikalischen Distinktionen eingerichtete kirchliche Lesevortrag (modus legendi choraliter), welcher auf einen gewissen Teil der zum Ritual gehörenden Sätze angewendet wird.

Wahrscheinlich ist der Accentus die älteste Art kirchlichen Vortrages; er hält die Mitte zwischen einfacher Rede und Gesang, doch mehr zu jener als zu diesem sich neigend, mehr feierliche Rezitation als melodische Bewegung. Die Silben werden auf demselben Ton gesprochen, und nur auf den Endsilben an Redeeinschnitten findet ein durch die Art der Interpunktion geregelter verschiedener Tonfall statt. Lucas Lossius, Erotemata Musicae practicae 1590, führt sechs [sic] Arten von Hebung und Senkung des Tonfalles der Endsilben an; demnach war der Accentus

  1. immutabilis, wenn die Endsilbe weder steigt noch fällt, sondern auf demselben Tone verbleibt;
  2. medius, wenn sie eine Terz abwärts steigt;
  3. gravis, wenn sie eine Quint fällt;
  4. acutus, wenn die Endsilbe, nachdem einige vorangehende Silben abwärts gestiegen sind, wieder in den Ton zurückkehrt;
  5. moderatus, wenn die Stimme in die Sekund sich erhebt, mit der Endsilbe des Satzes aber wieder in den Ton zurückfällt;
  6. interrogativus, wenn die Stimme mit der Endsilbe stufenweise sich erhebt. Ferner findet man angeführt
  7. den Accentus finalis, wenn die Stimme durch mehrere Töne bis zur Quart, auf welche die Endsilbe zu stehen kommt, herabsteigt.

Die distinctio (das Komma) hatte einen dreifachen Akzent, den immutabilis, acutus oder moderatus; das Colon (bei Lossius und anderen Comma [sic] genannt, duo puncta) den medius und der Punkt (Colon, hoc est, punctum quadratum ante syllabam capitalem) den gravis.

Accentus ecclesiasticus (Dommer 1865)

Accentus ecclesiasticus

Doch kommen voneinander abweichende Betonungen vor, und später fanden überhaupt Vereinfachungen statt.

Unter den Accentus gehören:

  1. Tonus Collectarum seu orationum (der Kollektenton);
  2. Tonus epistolarum et Evangelii, nebst der Melodie wonach die Leidensgeschichte in der Karwoche gesungen wird;
  3. Tonus Lectionum solemnis et lugubris; Prophetiarum et Martyrologii;
  4. die Intonations, Benedictions- und Absolutionsformeln des Liturgen;
  5. die einzelnen Versetten;
  6. die Akklamationen und Ermahnungen der Altardiener;
  7. die Präfationen; das Vater Unser mit seiner Präfation; der Friedenswunsch Pax Domini sit semper vobiscum.

[Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 17f]

Accentus ecclesiastici (1840)

Accentus ecclesiastici, Kirchenakzente; bei den Katholiken die verschiedenen Stimmenbeugungen des Geistlichen am Altar, bei dem Absingen der Evangelien und Episteln. Dies Absingen geschieht in einem und demselben, zwischen Lese- und Gesangston die Mitte haltenden Tone, und nur am Schluss der kleineren oder größeren Perioden tritt nach Maßgabe der Interpunktion eine Abweichung desselben ein.

Es gibt deren sieben, welche stets auf die Endsilbe eines Wortes fallen:

  1. immutabilis, weder erhöht, noch erniedrigt;
  2. medius, um eine Terz tiefer;
  3. gravis, um eine Quinte tiefer
  4. acutus, zurück auf denselben Ton, wenn etliche Silben vorher eine Terz tiefer gesungen wurde;
  5. moderatus, zurück [auf denselben Ton], wenn einige Silben vorher eine Sekunde höher gesungen wurde;
  6. interrogativus, eine Sekunde höher;
  7. finalis, bei welchem sich die letzten Silben stufenweise abwärts nach der Quarte neigen, auf welche die Endsilbe fallen muss.

[Gathy Encyklopädie Musik-Wissenschaft 1840, 5]

Accentus ecclesiasticus (1833)

Accentus ecclesiasticus, der Kirchenton, überhaupt bei den Katholiken die Gesangsweise zwischen Lese- und Gesangston, besonders aber die Stimmenbeugung des Priesters beim Absingen der Altargesänge - oder die Formeln der Melodie, welche vor Zeiten in der Kirche bei dem Absingen der evangelischen [sic] oder epistolischen Lektionen in Obacht genommen werden mussten und welchen wahrscheinlich der Gesang der Einsetzungsworte des heiligen Abendmahls und die Antiphonien, die zum Teil noch beim evangelischen Gottesdienst der Priester vor dem Altar singt, größtenteils nachgebildet wurden.

Diese Formeln sind:

  1. immutabilis, wenn die letzte Silbe eines Wortes weder erhöht, noch erniedrigt,
  2. medius, wenn die letzte Silbe um eine 3 [Terz],
  3. gravis, wenn sie um eine 4 [Quarte] tiefer,
  4. acutus, wenn etliche Silben vor der letzten eine 3 [Terz] tiefer, die letzte aber wieder in dem vorhergehenden Tone,
  5. moderatus, wenn einige Silben vor der letzten eine Sekunde höher, die letzte aber wieder in dem vorigen Tone,
  6. interrogatus, bei welchem die Endsilbe eines Fragesatzes eine Sekunde höher,
  7. finalis, bei dem sich die letzten Silben stufenweise abwärts nach der Quarte bewegten, auf welche die Endsilbe fallen muss.

[Häuser Musikalisches Lexikon 1833a, 8f]