Musiklexikon: Was bedeutet Concentus?

Concentus (1882)

Concentus (lateinisch), wörtlich übersetzt der Mitgesang, wird in verschiedener Bedeutung gebraucht. Zunächst bezeichnet man damit von Alters her die Übereinstimmung mehrerer Stimmen miteinander, also die Harmonie. Wie die letztere je nach den verschiedenen Kunstepochen mit einem anderen Begriff verbunden war, so der Concentus. Bei den Griechen z. B. war der Concentus der Unisono-Gesang von Männerstimmen, wenn es hoch kam, von Mädchen oder Knaben in der darüber gelegenen Oktave verdoppelt. Der englische Priester Beda venerabilis schreibt um 686 ausdrücklich, dass die Musik zu seiner Zeit "concentu, discantu atque organis" ausgeübt werde (siehe Discantus und Organum). Kaum 250 Jahre später, zur Zeit Hucbalds, als sich die ersten Anfänge der Harmonie im modernen Sinne entwickelten, bestand der Concentus im Zusammenklang von Quarten und Quinten und gegenwärtig [um 1870] ist Concentus gleichbedeutend mit Akkord überhaupt. Dieser Auslegung entsprechend, nannte man Concentus auch jeden mehrstimmigen Satz, ein Konzert für Gesang oder für Instrumente. Melchior Vulpius sagt wörtlich übereinstimmend mit Prätorius: "Cantio, Concentus seu Symphonia est diversarum vocum modulatio, germanice: ein Concert". Auch der Chor der Ausführenden oder die Kapelle erhielten den Namen Concentus. So war z. B. der ganze Concentus gleichbedeutend mit dem, was wir den ganzen Chor, das volle Orchester nennen.

Eine abgesonderte Bedeutung hat der Begriff Concentus in der römisch-katholischen Kirchensprache. Hier bezeichnet man damit eine der beiden Hauptgattungen, in welche die Ritualgesäuge des Gregorianischen Gesanges eingeteilt sind. Zum Concentus rechnet man diejenigen Gesänge, welche eine wirklich zusammenhängende, abgeschlossene Melodie haben und vom Chor gesungen werden, nämlich:

  1. die größeren und kleineren Responsorien,
  2. die Antiphonien oder Wechselgesänge,
  3. die Psalmodie und Hymnodie,
  4. die Messgesänge des Gesamtchores, als: Kyrie (Litanei) , Gloria (englische Lobgesang), Graduale, Alleluja mit und ohne Neuma, Tractus, Prosa (Sequentia) , Glaubensbekenntnis, Offertorium, Sanctus, Agnus dei, Communion,
  5. die rhythmische Rezitation der Gesänge in den horae canonicae oder Tagzeiten der Officia ecclesiastica (der täglich festgesetzten sieben Bet- und Singstunden).

Die übrigen Gesänge, welche nicht eigentlich gesungen, sondern nach dem Modus choraliter legendi vorgetragen werden, machen den Accentus (ecclesiasticus) (siehe dort) aus. [Mendel Musikalisches Lexikon 1872, 535f]