Musiklexikon: Was bedeutet Cantabile?

Der musikalische Fachbegriff "cantabile", erläutert von Musikologen in ihren berühmten Musiklexika des 18. und 19. Jahrhunderts, gesammelt im historischen Online-Musiklexikon von musikwissenschaften.de

Cantabile (1865)

Cantabile, singend, sangbar, gesangreich, nennt man solche melodische Sätze, die durch einen abgerundeten fließenden Zusammenhang ihrer Tonschritte, durch besondere Biegsamkeit des ganzen Tonganges sich auszeichnen und den Eindruck des rein Unmittelbaren und Unwillkürlichen machen, als könnten sie nur so wie sie sind und nicht anders sein.

Sowohl in dem harmonischen Fluss ihrer Tonschritte als auch in der natürlichen, ursprünglichen, anscheinend [scheinbar] durchaus kunstlosen Art ihres ganzen Habitus, welche darum noch keineswegs die tiefste Innigkeit und den bedeutendsten Ausdruck ausschließt, jederzeit aber als Produkt eines wahren und lebhaften Gefühls erscheinen wird, liegt das, was man Sangbarkeit nennt. Der Sänger kann solche sangbare Partien ohne viele Vorbereitung – hinsichts des Treffens der Intervalle sowohl als der Auffassung des Inhalts – leicht ausführen; nicht als ob die Intervallschritte auch immer nur die allereinfachsten und fasslichsten wären, sondern im Wesentlichen, weil Tongang und Ausdruck, als treffende klare Aussprache eines wirklich lebhaft Empfundenen, so naturgemäß wahr und harmonisch, daher bei aller etwaigen Bedeutsamkeit doch so leicht anschaulich erscheinen, dass derartige Sätze dem Sänger gleichsam wie von selbst in die Stimme fließen. Die durch die charaktervolle Unmittelbarkeit der ganzen melodischen Gestaltung nach bestimmter Richtung hin und in bestimmter Weise erfolgte Anregung seines Tongefühls hilft ihm über etwaige Schwierigkeiten der Intonation und des Vortrages unvermerkt hinweg (siehe Melodie).

Mögen mit cantabile bezeichnete Sätze für Singstimmen oder Instrumente geschrieben sein, sie verlangen stets einen fließenden, natürlichen und dabei durchaus gebundenen Vortrag sowie mäßige Klangstärke und keine zu scharfen Kontraste. Kommt der Ausdruck ohne ein das Zeitmaß näher bestimmendes Wort als Überschrift eines Tonstücks vor, so zeigt er, außer der eben bemerkten Vortragsart, jederzeit auch eine mäßig langsame Bewegung an. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 135]

Cantabile (1840)

Cantabile, sangbar; wird in Stimmen für Instrumentalisten denjenigen melodischen Stellen vorgesetzt, die singend vorgetragen werden sollen. Als Überschrift eines Tonstückes bezeichnet dieser Ausdruck einen Satz von mäßig langsamer Bewegung und leichter, fließender Melodie, der obigen kantablen Vortrag verlangt. [Gathy Encyklopädie Musik-Wissenschaft 1840, 58]

Cantabile, cantabel (1879)

Cantabile, cantabel, sangbar, bezeichnet im Allgemeinen sowohl in der Instrumental- als auch Vokalmusik diejenigen Stellen, welche sich vor anderen figurierten Sätzen durch eine leicht fassliche und fließende Melodie auszeichnen. Im Gesang werden vorzugsweise solche Melodien mit cantabile bezeichnet, welche der ausgebildeten menschlichen Stimme vollkommen angemessen sind, sich fast ausschließlich in der mittleren Lage der Töne bewegen und sich vom leidenschaftlichen Ausdruck und größerer Kraftanstrengung fern halten.

Das Cantabile als Überschrift von Gesangstücken deutet auf einen mehr langsamen als schnellen Vortrag hin. [Riewe Handwörterbuch 1879, 45]