Principal (1865)
Principal [heutige Schreibweise: Prinzipal], Praestant, Primaria (sc. regula) in der Orgel. Die tiefste offene Flötenstimme eines Klavieres [der Orgel]. Er muss von reinem englischen Zinn, sehr sorgfältig und dauerhaft, mit starken Pfeifenwänden gearbeitet sein und wird, da man ihn im Prospekt der Orgel (Prospektpfeifen) aufstellt, fein poliert. Stärke und Güte des Materials verursachen, dass die Prinzipale, neben reinem und sonorem Klang, auch mehr Standhaftigkeit in der Stimmung haben als das andere Pfeifenwerk, daher man bei Stimmung der Orgel die Prinzipale zuerst rein intoniert und dann die anderen Register danach reguliert. Die Pfeifenkörper sind zylindrisch oder, wenn sie, wie bei den ganz großen Prinzipalen für die tiefsten Töne zu geschehen pflegt, von Holz gearbeitet werden, prismatisch, in beiden Fällen oben und unten durchaus gleichweit. Wegen ihrer weiten Mensur fordern sie starken Luftzufluss, daher ihre Intonation kräftig und voll, aber zugleich rund, weich und gewöhnlich etwas lispelnd ist.
Das ein- für allemal für die Pfeifenkörper der Prinzipale angenommene Verhältnis der Weite zur Länge heißt Prinzipalmensur (siehe Mensur). Im Manual kommt der Prinzipal zu 16 (Großprinzipal), 8 (Aequalprinzipal) und 4 Fuß (Klein- oder Oktavprinzipal) vor, und man ist gewohnt nach der Fußtongröße desselben die Größe des ganzen Orgelwerkes zu bezeichnen, es ein 16-füßiges (Ganzwerk) zu nennen, wenn im Hauptmanual ein Prinzipal von 16 Fuß, ein 8-füßiges (Halbwerk), wenn ebenda ein Prinzipal von 8 Fuß disponiert ist. Hat die Orgel drei Manualklaviere, so steht im Hauptwerk gewöhnlich ein 16-, im Rückpositiv ein 8- und im Oberwerk ein 4-füßiger Prinzipal. Von 32 Fuß (Groß Subprinzipal-Bass) kommt er nur im Pedal vor. Die tiefsten Pfeifen sind dann (wie häufig schon beim 16-Fuß-Prinzipal) oft gedeckt und stehen im Inneren der Orgel auf Bänken.
Die Oktavregister gehören ebenfalls zu den Prinzipalen. So hat zum Beispiel Prinzipal 8 Fuß Oktav 4 Fuß und 2 Fuß bei sich.
Obige Namen dieser Orgelstimme erklären sich aus voranstehendem bereits selbst, insofern die Prinzipale die Grundlage der ganzen Orgel, worauf die Disposition des übrigen Pfeifenwerkes beruht, ausmachen, ähnlich wie im Orchester das Streichquartett. Daher auch die alte Benennung Primaria regula oder Primaria, die man in lateinischen Orgeldispositionen findet. Und ziemlich das nämliche bedeutet der in alter Zeit gebräuchliche Ausdruck Praestant (vorne an stehend). Man bezeichnete damit die vorne an im Prospekt stehenden Stimmen, die bereits in den Orgeln des 15. Jahrhunderts ihre eigenen Schleifen hatten und gesonderte Register für sich ausmachten, die allein gebraucht werden konnten, während alles übrige aus Oktaven und Quinten bestehende Pfeifenwerk nicht in einzeln zu gebrauchende Stimmen geschieden, sondern auf einer Schleife disponiert war, daher nach Art unserer Mixtur stets zusammen ansprach, und weil es im hinteren Teil der Orgel stand, zum Unterschied vom Prästanten der Hintersatz (Nachsatz, Nasat) genannt wurde. Siehe Orgel.
In Frankreich nennt man noch gegenwärtig [um 1865] die Oktav 4 Fuß Prästant, weil sie zur Stimmungsregulierung der anderen Register am besten geeignet ist. Auch heißt derselbe Prinzipal 4 Fuß, Choralprästant, als zur Melodieführung im Choral wohl brauchbar. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 699f]