Register (1882)

Register,

  1. (Stimme) in der Orgel eine vollständige Pfeifenreihe, die für jeden Ton der Klaviatur eine oder (bei den gemischten Stimmen) mehrere Pfeifen enthält und durch einen sogenannten Registerzug in oder außer Funktion gesetzt wird. Das letzte, dem Spieler nächste Glied des Registerzugs ist die Registerstange, deren handlich zugeschnittenes Ende (der Registerknopf) aus dem Orgelgehäuse herausragt. Das Anziehen und Abstoßen der verschiedenen Register (Registrieren, Registration) besorgt meist der Organist selbst während des Spiels, bei vorbereitetem Konzertspiel jedoch ein andrer Orgelverständiger nach den (aufgeschriebenen) Anweisungen des Spielers. Die Registration, d. h. die bedeutungsvolle Wahl unter den Registern einer Orgel, ist eine analoge Kunst wie die Instrumentation für Orchester.
  2. Der Name Register ist auch auf die menschliche Stimme übertragen worden, welche bekanntlich je nach der Art der Funktion der Stimmbänder Töne sehr verschiedenen Klangcharakters hervorzubringen vermag. Die beiden Hauptregister aller Menschenstimmen sind das sogenannte Brustregister und das Kopfregister - zwei ganz uneigentliche Bezeichnungen, denn die Idee, dass bei der Bruststimme die im Thorax oder auch nur in der Luftröhre unterhalb des Kehlkopfs schwingende Luft dem Ton das größere Volumen geben soll, ist ein Nonsens. So wenig als der Stiefel einer Zungenpfeife von Einfluss auf die Tonbildung ist, kann es die Luftröhre oder der Brustkasten sein. Außer der Zunge [gemeint ist der schwingende Teil der Zungenpfeife] selbst bestimmt nur der Aufsatz den Klang, d. h. außer der verschiedenartigen Spannung der Stimmbänder nur der Hohlraum vom Kehlkopf bis an die Zähne und an die Nasenflügel. Von den Funktionen der Stimmbänder wissen wir [um 1880] herzlich wenig; man vermutet, dass totale und partielle Schwingungsformen die Unterschiede der vollen Stimme und der Fistel bewirken, und dass die Anspannung der Bänder in ihrer ganzen Breite die Brusttöne, einer Anspannung nur der Ränder dagegen die Kopftöne ergibt. Die Physiologen sind darüber nicht einig, und dem Sänger kann es gleichgültig sein, denn nach ein paar Lektionen weiß er ganz genau, ob er Brusttöne oder Kopftöne oder Fisteltöne singt. Dagegen legt die gewöhnliche Gesangmethode zu wenig Wert auf die Resonanzverhältnisse, welche keineswegs, wie man aus Helmholtz, Merkel u. a. schließen könnte, für dieselben Vokale notwendig dieselben sind. Vergleiche Ansatz.

    Die Ausgleichung der Register ist die möglichste Verwischung des Unterschieds der Klangfarbe der Brusttöne und Kopftöne, d. h. die Beseitigung einer allzu massigen, dicken Tongebung jener und einer allzu spitzen, scharfen dieser. Sie ist nur möglich durch eine zweckentsprechende Regelung der Resonanz. Auch die auffallende Tatsache, dass bei der Ausbildung der Stimme sich häufig ein einzelner Ton findet, der schlecht klingt, stumpf, matt ist, findet nur in der Schallverstärkung durch die Mundhöhle ihre Erklärung. Ein solcher Ton kann nur verbessert werden durch eine Veränderung der Bildung des Vokals, d. h. durch eine andere Formung des Aufsatzes, welche dem Ton die fehlende Verstärkung durch partielle Schwingungen der Luft in der Mundhöhle verschafft. Auf den wechselnden Resonanzverhältnissen der Töne verschiedener Höhe beruht die Unterscheidung so vieler Register in manchen Gesanglehren (vergleiche z. B. Nehrlichs "Kunstgesang"). Natürlich ist die Verschiedenheit der erforderlichen Anspannung der Stimmbänder von entscheidender Bedeutung für die Leichtigkeit der Tongebung, und man mag auch darum wohl eine Teilung in verschiedene Register oder Stimmregionen nicht für etwas Ungereimtes halten. Sofern aber das Wesen eines Registers eine prinzipiell verschiedene Funktion der Stimmbänder sein soll, wird man nur vier Register annehmen dürfen: Brustregister, Kopfregister, Falsett (Fistel) und Strohbassregister; von diesen erfordert das Kopfregister die größte, das Strohbassregister die geringste Anspannung der Stimmbänder, doch ist das letztere nicht von Wert für die Kunst.

[Riemann Musik-Lexikon 1882, 748f]