Mensuralnote (1882)
Mensuralnote, die ungefähr zu Anfang des 12. Jahrhunderts erfundene Note von bestimmbarer Zeitdauer (mensurabilis = messbar) im Gegensatz zu den Noten der Musica plana (siehe Choralnote). Die Mensuralnote wurde nötig, als man anfing, dem Cantus firmus (Tenor) des Gregorianischen Gesangs eine zweite Stimme gegenüberzustellen (Discantus).
Die bis Ende des 13. Jahrhunderts allein zur Anwendung kommenden Notenwerte der Mensuralnote waren: die Longa, Brevis und Semibrevis sowie die Duplex Longa oder Maxima. Erst gegen 1300 kamen die kleineren Werte der Minima und Semiminima auf.
Zu Anfang des 15. Jahrhunderts führte man statt dieser schwarzen die weißen Noten ein und behielt die Schwärzung nur für die kleinsten Notenwerte, für die größeren aber nur zur Anzeige besonderer Mensuralverhältnisse (siehe Color). Die Zeichen erhielten daher nun die Gestalt:
Wie die Notenzeichen von der Semiminima an, waren auch die Pausenzeichen von der Fusa abwärts eine Zeit lang schwankend,
bis endlich hier wie dort die in weiter Linie gegebenen Zeichen alleinherrschend wurden. Über die Bedeutung der verbundenen Figuren der Mensuralnote vergleiche Ligaturen.
Die heute übliche Rundung der Notenzeichen war in der gewöhnlichen Schrift schon im 16. Jahrhundert üblich (doch nicht bei den Kalligraphen), wurde aber, abgesehen von dem vereinzelten Versuch des Carpentras (1532), im Druck erst gegen 1700 eingeführt. Über die besonderen Bestimmungen der Geltung der einzelnen Notenzeichen (Mensur) je nach der Taktvorzeichnung (Modus, Tempus, Prolatio) sowie nach der Stellung zwischen Noten längerer oder kürzerer Geltung (Perfektion, Imperfektion, Alteration), desgleichen über die Proportionen, besonders die Hemiolia und Sesquialtera, auch über Augmentation und Diminution vergleiche die [entsprechend benannten] Spezialartikel.
Eine große Anzahl Musiktheoretiker hat umständlich die Mensuralnote behandelt, zum Beispiel Franko von Köln, Walther Odington, Hieronymus de Moravia, Marchettus von Padua, Philipp von Vitry, Johannes de Muris, Johannes Hothby, Johannes Tinctoris, Franchino Gafori, Sebald Heyden und Heinrich Glarean (vergleiche die Sammelwerke mittelalterlicher Musikschriftsteller von Gerbert und Coussemaker). Von neueren Musikschriftstellern haben besonders Ambros, H. Bellermann, G. Jacobsthal und H. Riemann über die Mensuralnote geschrieben. Zur Veranschaulichung der Mensuralnote diene das erste Kyrie aus Hobrechts Messe "Ave Regina Coelorum":
[Riemann Musik-Lexikon 1882, 574f]