Musiklexikon: Was bedeutet Melodrama?

Melodrama (1929)

Melodrama (griechisch), früher ein Drama mit Musik, d. h. Oper; die jetzt [um 1930] gewöhnliche, ja allein gebrauchte Bedeutung ist jedoch die von Deklamation mit Instrumentalbegleitung, sei es innerhalb eines Bühnenstückes, wie im Egmont (Monolog vor dem Traum), sei es als selbständiges Kunstwerk, wie Schillings' Musik zum Hexenlied Wildenbruchs oder wie die zahlreichen Balladen für Deklamation mit Klavier- oder Orchesterbegleitung.

Das Melodrama ist im Allgemeinen eine ästhetisch nicht einwandfreie Zwittergattung, da nicht einzusehen ist, warum nicht die Rede bis zum Rezitativ und weiter bis zu gebundener Melodik gesteigert wird (siehe Dramatische Musik). Da auch die Sprache sich des Stimmorgans bedient und die Sprechtöne eine definierbare Tonhöhe haben, so muss entweder der Vortragende sich möglichst der Tonart, den Harmonien der Begleitung anpassen, d. h. des Komponisten Unterlassungssünde wenigstens teilweise gutmachen, oder es ist ein Widerspruch zwischen den Sprechtönen und der Musik unvermeidlich. In einzelnen Fällen ist indes das Melodrama doch zu rechtfertigen, wie im Fidelio (in der Kerkerszene), wo es als Steigerung gegenüber dem Gesang erscheint (wie Leonore nachher sagt: "Was in mir vorgeht, ist unaussprechlich", d. h. in der Oper "nicht zu singen").

Die früheste Anwendung des Melodramas findet sich schon bei dem Salzburger Kapellmeister J. E. Eberlin um 1750; vgl. DTÖ. Bd. 55. Zu den relativ gelungensten Beispielen der Anwendung des Melodrams für ganze Werke gehören G. Bendas Ariadne (27· Jan. 1775) und Medea (1. Mai 1775), R. Schumanns Manfred, Liszts Lenore (mit Klavier), Bizets L'Arlésienne und mehrere Werke von Max Schillings (s. d.). Auch Schönbergs Pierrot lunaire ist in gewissem Sinn zur Gattung des Melodrams zu rechnen. Vgl. (L. Garcins), Traité du mélodrame (1772, anonym); R. Augsten, Les premiers mélodrames francais composés aux modèles allemands (1912); W. Kienzl, Die musikalische Deklamation (1880) und besonders Edgar Istel, J. J. Rousseau als Komp. s. lyr. Szene Pygmalion (1901) und Die Entstehung des deutschen Melodrams (1906); ferner Max Steinitzer, Zur Entwicklungsgeschichte des Melodrams und Mimodrams (1918). [Einstein/Riemann Musiklexikon 1929, 110]

Melodrama (1882)

Melodrama (italienisch: Melodramma) nannte man seit dem Beginn der Entwicklung der dramatischen Musikformen jedes Drama mit Musik, später aber nur das rezitierende Schauspiel mit Instrumentalbegleitung. Als Zwitterding, das weder Schauspiel noch Oper ist, konnte die Form keine Bedeutung gewinnen. Eine Zeitlang war indes auch sie beliebt; Gerstenbergs "Ariadne" und Gotters "Medea" mit Musik von Georg Benda, Ramlers "Ino und Cephalus" und "Procris" mit Musik von Reichardt u. a. waren ihrer Zeit hochgefeiert, aber die Gattung vermochte sich doch nicht zu halten. Nur in wenig Ausnahmefällen erscheint die melodramatische Behandlung gerechtfertigt, wenn, wie beispielsweise in der Kerkerszene im "Fidelio", hinter den gesprochenen Worten Empfindungen sich verbergen, welche dem Zuschauer nahe gelegt werden sollen, was die Musik ganz naturgemäß auszuführen übernimmt. Vollständig verfehlt aber erscheint es, Balladen mit Klavierbegleitung deklamieren zu lassen, wie dies zuerst von R. Schumann ("Schön Hedwig" und "Der Haideknabe" von Hebbel und "Die Flüchtlinge" von Shelley) und nach ihm von Liszt u. a. versucht worden ist. Die Pianofortebegleitung stört nur die Deklamation und kann dabei selbst zu keiner rechten Wirkung gelangen. [Reissmann Handlexikon 1882, 264f]

Melodrama (1840)

Melodrama, Drama per musica (italienisch), ein musikalisches Schauspiel, in welchem die Deklamation abwechselnd durch Instrumentalmusik begleitet oder unterbrochen wird. Hierher gehört das Monodrama (Einspiel), worin nur eine Person spricht, und das Duodrama, in welchem Artikel das Historische nachzulesen ist. Auch wurden Gedichte, besondere Balladen, melodramatisch behandelt, z. B. der "Gang nach dem Eisenhammer" von B. A. Weber, und einzelne Szenen in Opern, wie im "Freischütz", "Preciosa" oder in Schauspielen angebracht, wie "Die Waise und der Mörder", mit Musik von Seyfried [Ignaz von Seyfried] - und ähnliche mehr. Dass die Anwendung der Musik hier Verstärkung des deklamatorischen Ausdrucks zum Zwecke hat, versteht sich von selbst. [Gathy Encyklopädie Musik-Wissenschaft 1840, 301]