Gavotte (1865)
Gavotte, italienisch: Gavotta, französisch: Gavote, eine ältere, jetzt abgekommene Tanzmelodie, welche sowohl zum Tanzen als auch zum Spielen auf Geige und Klavier und zum Singen für Solo und Tutti gebräuchlich gewesen ist. Sie hat ein munteres und lebhaftes Wesen, "ihr Affect ist eine rechte jauchzende Freude, das hüpffende Wesen ist ein rechtes Eigenthum dieser Melodien-Gattung; und keineswegs das lauffende. Die Welschen Setzer brauchen eine Art der Gavotten für ihre Geigen, die offt mit ihrem Ausschweifungen gantze Bögen erfüllen, und nichts weniger sind, als was sie sein sollen. Doch wenn ein Welscher nur seine Geschwindigkeit bewundern lassen kann; so macht er alles aus allem. Für's Clavier setzt man auch gewisse Gavotten, die grosse Freiheit gebrauchen; es aber doch nicht so arg machen, als die gefiedelten" (Mattheson, Kern melod. Wissensch. S. 111. Vergleiche auch sein Neueröffnetes Orchester, Hamburg 1713, S191).
Als Tanzstück aber war ihre Bewegung nicht allzu geschwind, "sie gehen bissweilen hurtig, bissweilen langsam". Zu ihren Eigentümlichkeiten gehören außerdem
- eine gerade Taktart, und zwar jederzeit der Zweizweiteltakt; doch dürfen keine geschwinderen Noten als Achtel darin vorkommen;
- rhythmisch geradzahlige Teile, welche im zweiten Takt einen fühlbaren Einschnitt enthalten;
- zwei Reprisen, von denen, nach Mattheson, die erste vier, die zweite acht Takte haben soll, während nach anderen Erklärungen beide aus je acht Takten bestehen; die vier letzten Takte der ersten Reprise pflegen dann auch den vier ersten ähnlich, nur mit anderer Schlusswendung, gebildet zu sein;
- dass die erste Reprise nicht im Hauptton kadenzieren soll, es sei denn, dass man aus der Gavotte "ein Rondeau, welches offt geschiehet, machen wolle";
- dass alle ihre melodischen Teile mit zwei Vierteln im Auftakt beginnen und mit einem halben Takte aufhören.
Hauptsächlich war die Gavotte in theatralischen Tänzen sehr gebräuchlich, in gesellschaftlichen nicht. Kommt sie, wie jedoch selten, in der Suite oder Parthie vor, so gilt von ihr dasselbe wie von allen übrigen Tanzmelodien, nämlich dass ihre Form freier behandelt, ihr Umfang alsdann auf keine bestimmte Anzahl von Takten beschränkt wird. Im ersten Teil behält man zwar gewöhnlich die Zahl von acht Takten bei, im zweiten hingegen bindet man sich, auch hinsichtlich der melodischen Abschnitte, die nicht einander gleich zu sein brauchen, an keine bestimmte Taktzahl. Auch kommt die Bezeichnung Tempo di Gavotta bei Tonstücken vor, welche keine eigentlichen Gavotten, sondern nur an Bewegung und Charakter ihnen ähnlich sind. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 354f]