Bewegungsart (1882)

Bewegungsart,

  1. die durch Worte (adagio, allegro [etc.]) oder Metronombestimmung (siehe Metronom) vorgeschriebene absolute Geltung der Notenwerte im einzelnen Fall, welche eine so verschiedenartige sein kann, dass im Presto die Halben schneller genommen werden als im Largo die Achtel; vergleiche Tempo.
  2. Bei gleichbleibendem Tempo ist eine verschiedene Bewegung möglich, je nachdem Noten von längerer oder kürzerer Geltung eingeführt werden. Den Begriff der Bewegung in diesem Sinn erklärt am besten irgendein Variationenwerk, zum Beispiel das Andante von Schuberts A-Moll-Sonate; bei diesem wird zuerst das Thema in ruhiger Achtelbewegung vorgetragen (Takt 1-32), dann folgt die erste Variation in doppelter Bewegung, d. h. das Thema behält dieselben Werte, wird aber von Sechzehnteln umspielt (Takt 33-40), und weiterhin die zweite in vierfacher Bewegung (in Zweiunddreißigsteln), nach einer wieder ruhiger gehaltenen (in Sechzehnteln) die vierte in Zweiunddreißigstel-Triolen (As-Dur) und endlich die letzte wieder in Sechzehntel-Triolen, alles bei gleichbleibendem Tempo.
  3. Im melodischen Sinn verschiedene Bewegungsarten sind das Steigen und Fallen der Tonhöhe; zwei Stimmen haben entweder gleiche Bewegung, nämlich wenn sie parallel miteinander steigen oder fallen (motus rectus, Parallelbewegung), oder verschiedene, wenn die eine steigt, während die andere fällt (motus contrarius, Gegenbewegung), oder wenn die eine liegen bleibt, während die andere steigt oder fällt (motus obliquus, Seitenbewegung).

[Riemann Musik-Lexikon 1882, 101]