Temperatur (1879)
Temperatur (Mäßigung). In der Musik spricht man von einer Temperatur der Stimmung und unterscheidet mathematische Temperatur und gleichschwebende Temperatur. Unter jener versteht man diejenige Stimmung eines Instruments, welche vom Grundton aus alle Intervalle bis zur Oktave in der Dur- und Molltonart in vollkommener Reinheit (d. h. nach der eigentlichen mathematischen Größe, welche ein Intervall als solches hat) darstellt. Gleichschwebende Temperatur ist dagegen die Stimmung, welche von jedem beliebigen Tone zu seiner Oktave alle gleichnamigen Intervalle, abgesehen von ihrer Reinheit, auch in ein gleiches geometrisches Verhältnis setzt, so dass von den 13 halben Tönen einer Oktave der erste sich zum zweiten wie dieser sich zum dritten etc., auch der erste zum dritten wie der zweite zum vierten etc., ebenso der erste zum vierten wie der zweite zum fünften, der dritte zum sechsten, ihrer Schwingungszahlen nach geometrisch verhält. Erzielt wird diese Temperatur dadurch, dass den einen Intervallen zu ihrer Reinheit noch etwas zu (überrein, überschwebend), den anderen von ihrer Reinheit etwas abgesetzt wird (unterschwebend). Auf dieser gleichschwebenden Temperatur beruht die Reinheit der Harmonien sowie die ganze Einrichtung unseres Tonsystems; die mathematische ist in der Praxis ganz unmöglich. [Riewe Handwörterbuch 1879, 255]