Tempo (1929)

Tempo (italienisch, "Zeit"; vgl. T), Zeitmaß, die Bestimmung, welche im einzelnen Falle die absolute Geltung der Notenwerte regelt.

Wie die normalen Zählzeiten (Schlagzeiten) ungefähr der mittleren Pulsgeschwindigkeit entsprechen (etwa 75-80 in der Minute), so entsprechen auch die Grenzen, innerhalb deren das Tempo variieren kann, den Grenzen des beschleunigten oder schleppenden Pulses (etwa 40 als Minimum, 130 als Maximum), und man sollte daher niemals nach anderen Werten zählen bzw. taktieren als den innerhalb dieser Grenzen liegenden (schon Zacconi, 1592, bezieht sich bei der Erklärung des Tempos auf den Puls).

Vor dem 17. Jahrhundert waren die Mittel, ein verschiedenes Tempo zu fordern, sehr beschränkt. Die Noten hatten aber damals eine ziemlich bestimmte mittlere Geltung, den integer valor (siehe dort), der sich freilich im Laufe der Jahrhunderte sehr verschob, so dass man heute bei Übertragungen von Musikwerken des 14.-16. Jahrhunderts die Werte zweckmäßig auf den vierten Teil und bei noch älteren auf den achten Teil reduzieren muss, wenn man ein unserer Gewöhnung entsprechendes Bild gewinnen will.

Um 1600 kamen die noch heute üblichen Bestimmungen: Allegro, Adagio, Andante auf (denen sich bald Presto, Tardo, Largo und die Unterarten: Allegretto, Andantino, Prestissimo zugesellten). Anfangs unterschieden sich diese Bestimmungen aber nicht so stark wie heute und waren mehr Hinweise auf den Charakter als Vorschriften verschiedener Zeitdauer, da im Adagio längere Notenwerte und im Allegro kürzere gewählt wurden. Frescobaldis Canzoni da sonar erschienen 1628 ohne, 1634 mit Tempobezeichnungen. Dennoch sind Missgriffe nach der ersten Ausgabe kaum möglich, da die Tempowechsel durch Wechsel der Werte markiert sind. Erst im 18. Jahrhundert tritt allmählich die weitere Steigerung der ästhetischen Wirkung des Notenbildes ein, dass im Adagio sogar kurze Noten langsam und im Presto lange Noten schnell werden.

Da sich im Gebrauch der Tempo-Bezeichnungen vielfach Willkür einschlich, so sann man gegen Ende des 18. Jahrhunderts auf absolute, invariable Bestimmungen und gelangte zur Erfindung des Metronoms (siehe dort). Vielfach sind heute [um 1030] auch Tempobestimmungen beliebt, die auf Tonstücke von bestimmtem Charakter der Bewegungsart hinweisen, so Tempo di marcia (Marschtempo = Andante, die Zählzeiten etwa = 72-84 M. M.), Tempo di minuetto (Menuettempo, etwa = Allegretto, ein wenig schneller als das vorige), Tempo di valzer (Walzertempo = Allegro moderato, erheblich schneller) usw. Die Bestimmung Tempo giusto, auch tempo ordinario ("im richtigen Zeitmaß") oder (bei Mozart) allegro aperto weist auf solche bekannte Typen hin. Tritt sie bei Stücken auf, die keinem solchen angehören, so muss sie als Normal-(Mittel-)Tempo, d. h. Andante-Allegretto (76-80 M. M.) aufgefasst werden. Vgl. Agogik. [Einstein/Riemann Musiklexikon 1929, 1825]