Orthographie, musikalische (1929)
Orthographie, musikalische. Viele Komponisten schreiben aus echtem, musikalischem Instinkt orthographisch, andere infolge der Beobachtung verkehrter, oberflächlicher Regeln unorthographisch. Orthographische Fehler können z. B. gemacht werden:
1) hinsichtlich der rhythmischen Tonwertzeichen, besonders im Klavierstil, wenn einer Note ein zu langer Wert gegeben wird, so dass sie in einem anderen Akkord hineinragt, zu dem sie doch nicht als Dissonanz Stellung nimmt;
2) hinsichtlich der harmonischen Verhältnisse. Hier kommen die Fehler im freien wie im gebundenen Stil gleich oft vor; sie bestehen in der Substitution einer enharmonisch identischen Note, z.B. cis für des, e für fes usw. Gegen die orthographischen Fehler dieser Art feit nur ein wirkliches harmonisches Verständnis. Man muss sich gewöhnen, jederzeit sich bewusst zu sein, im Sinne welches Dur- oder Mollakkords eine Passage oder ein dissonanter Akkord aufzufassen ist, und welcher Art die Fortschreitung von diesem zum folgenden ist; nur dann kann man wirklich orthographisch schreiben. Die meisten Fehler werden in der chromatischen Tonleiter (siehe dort), überhaupt in chromatischen Durchgängen gemacht. [Einstein/Riemann Musiklexikon 1929, 1318f]