Cantate (1882)
Cantate [heutige Schreibweise: Kantate], italienisch: Cantata, abgeleitet von cantare = singen, bezeichnet dementsprechend ein Singstück, ein Singgedicht. Ursprünglich verstand man darunter die einstimmigen, von den üblichen Formen des Liedes, Madrigals, der Hymne und Motette abweichenden Gesänge, bei denen in der Regel rezitativische und formell fester gefügte Stellen wechselten. Viadana bezeichnet sie noch als Concerte in ecclesiastici — Kirchenkonzerte, aber bereits 1613 veröffentlichte Bonini: "Lamento d'Adriano. Cantata a voce sola con Basso continuo", und ihm folgten bald die bedeutendsten Meister auf diesem Gebiet.
So wurden diese Gesänge im 17. Jahrhundert gepflegt und gelangten zu großer Beliebtheit. Neben geistlichen Stoffen wurden auch weltliche in dieser Weise behandelt, und es entstand neben der Kirchenkantate die weltliche oder Kammerkantate. Carissimi ist als derjenige zu nennen, welcher der Form dadurch erhöhte Bedeutung verlieh, dass er bereits die Arie bestimmter herausbildete und sie schärfer vom Rezitativ schied. Daneben wurden auch Kantaten für mehrere Stimmen - a due, a tre voci - geschrieben, und als dann die Formen der Arie, des Duetts, Terzetts und die Chorformen vollste Selbständigkeit erlangten und sich von der rezitativischen Gesangsweise immer strenger schieden, wurde die Kantate zu der zusammengesetzten Form, in welcher große und weit ausgeführte Chöre und Choräle mit Rezitativen und kunstvoll geformten und gegliederten Solosätzen: Arien, Duetten usw. wechselten. Jene früheste "Cantata a voce sola" ist meist nur ein großes, durch einzelne Kantilenen unterbrochenes Rezitativ und war in der Regel nur mit einem Bass continuo begleitet. Erst gegen Ende des [17.] Jahrhunderts zog man schüchtern noch ein und das andere Instrument hinzu und erst seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts bediente man sich allmählich der in den Stadtpfeifereien gebräuchlichen Instrumente.
In Deutschland sind aus jener Zeit namentlich Reinhard Keiser und G. F. Händel zu nennen, welche die Kantate noch in dieser Weise übten. Schwankend wie die Form, war auch noch lange ihre Bezeichnung. Joh. Seb. Bach nennt sie noch häufig Konzert, wohl auch Motette, und selbst Oratorium. Dieser Meister namentlich hat auf diesem Gebiet eine außerordentlich fruchtbringende und zugleich abschließende Tätigkeit geübt. Er hat gegen 300 Kantaten geschrieben, von denen der überwiegend größte Teil Muster ihrer Art sind. [Reissmann Handlexikon 1882, 69f]