Blasinstrumente im engeren Sinn nennt man alle Tonwerkzeuge, bei denen der schallende Körper eine zylindrische Luftsäule ist, die durch einen vermittelst des menschlichen Odems erzeugten Luftstrom tönend erregt wird. Hierzu gehören die Flöten, die Klarinetten, die Oboen, die Fagotte, die Hörner, die Posaunen usw. Im weiteren Sinne heißt man jedoch jedes musikalische Instrument ein Blasinstrument, durch welches ein luftförmiger oder flüssiger, streng begrenzter Körper durch den Strom einer gleichen Materie tönend bewegt wird, wie z. B. die Orgel, die Physharmonica, der Dudelsack, der Brummkreisel, die Wertheimschen Wasser- usw. Pfeifen und andere.
Betrachten wir nun die für gewöhnlich Blasinstrumente genannten Tonwerkzeuge näher, so finden wir, dass die tongebenden Luftsäulen derselben entweder durch Holz oder durch Metall (Blech) begrenzt werden, nach welcher Eigenheit man diese Blasinstrumente wohl in zwei Hauptabteilungen sondert, nämlich Holz- und Blech-Blasinstrumente. […]
Die ersten Repräsentanten dieser Instrumentengattungen, wie die der Blasinstrumente überhaupt, findet man nach neuester Forschung schon in einer Zeit vor, aus der die Geschichte nicht einmal uns eine Sage zu bieten vermag. Wenn nach allem Kalkül einfache Rohre, aus Knochen oder Pflanzenteilen (Bambus oder anderes Rohr) gebildet, wohl die ersten Blasinstrumente der Menschheit gewesen sind, und wahrscheinlich die Koang-tse der Chinesen oder die sogenannte Pansflöte der Griechen die früheste Vereinigung mehrerer bestimmte Töne gebenden Rohre und damit die Tonwerkzeuge der frühesten Kulturvölker waren, wodurch sie nach Absicht mehrere Töne des Tonreichs hervorbrachten, so hat man doch auch in Europa einen Beleg dafür erhalten, dass in einer sehr frühen Zeit schon daselbst ein Rohr dazu eingerichtet wurde, mehrere Töne vermittelst in das Rohr gemachter Tonlöcher zu gleichem Zwecke zu verwenden. Obgleich nun dieser Beleg sehr fern von den größeren Kulturstätten Asiens sich vorfindet, und mancher leicht in demselben einen Ausfluss aus jenen vermuten könnte, welcher Ausfluss nur Umstände halber als Sonderprodukt sich gestaltete, so ist diese Besonderheit desselben doch so eigentümlicher Natur, dass man dadurch fast bestimmt wird, an ein diesen Menschen nicht durch Tradition überkommenes, sondern an ein von ihnen selbst erfundenes Kunstprodukt glauben zu müssen, weshalb wir hier auch vor allen anderen ähnlichen Erfindungen diesen archäologischen Fund erwähnen wollen. Spätere Forschung wird, wenn sie es vermag, die Zeit zu bestimmen, in der dies aufgefundene Instrument gebraucht worden ist, dann auch wohl festzustellen vermögen, ob ein gesellschaftlicher Zusammenhang dieser Menschen mit denen der asiatischen Kulturstätten stattgefunden hat, oder ob dies Blasinstrument eine eigene Erfindung der damaligen Bewohner dieser Erdscholle war. Zugleich mag noch der Beachtung empfohlen sein, dass das Alter dieser europäischen instrumentalen Funde dem der an den bekannten asiatischen Kulturstätten ähnlichen entdeckten Monumente durchaus ebenbürtig ist, so wie dass dieselben fast nur für die letzterwähnte Ansicht als Beweis dienen können.
Nach einer Mitteilung Carl Vogts sind aus der Rennthierzeit [sic] (Steinzeit) stammende Blasinstrumente in einer Grotte bei Aurignae aufgefunden worden, die Pfeifen oder Flöten gleichen, welche wie hohle Schlüssel anzublasen sind und aus Hasen- oder Renntiergliedern gefertigt, deren Markhöhlen seitlich angebohrt worden sind, worüber nach Vogts Mitteilung Näheres in Lartets Werk "Reliquiae aquitanicae etc." zu finden ist. Schon mehr ausgebildet erscheint die in Fétis' "Histoire générale de la musique" Tome I, S. 25, 1869, abgebildete Flöte, die in einem Dolmen oder Grabhügel bei Poitiers gefunden, und welche aus einem Stücke eines Hirschgeweihes gearbeitet ist. Dieselbe hat ein Anblaseloch, dessen scharfe, gut gefertigte Kannte die bestimmte Anzeige von einer durch akustische Erfahrungen geregelten Tat offenbart, indem nur eine öftere Wiederholung der Fertigung solcher Tonwerkzeuge eine so vollendete Darstellung ermöglichen kann.
Diese wahrscheinlich früher als 2000 v. Chr. in Europa in Gebrauch gewesenen Blasinstrumente zeigen keine Ähnlichkeit in ihren Gestaltungen usw. mit denen der asiatischen Kulturstätten frühester Zeit. Nächst diesen erwähnten Blasinstrumenten hat man nur noch in Südschweden, Dänemark und Mecklenburg metallene, der Bronzezeit entstammende Funde gemacht. Diese Funde beweisen, dass Blasinstrumente aus Metall in der Bronzezeit nicht allen in Gebrauch waren, sondern dass wahrscheinlich deren sogar stets zu zweien von verschiedener Form, welche zwei müssen als zusammengehörig betrachtet worden sein, angewandt wurden. Für diese Vermutung spricht nicht allein, dass fast immer zwei Instrumente an demselben Fundorte sich vorfinden, sondern auch die beigefügte Abbildung aus jenen Tagen.
Diese Zeichnungen finden sich auf Steinplatten vor, die dem allgemein unter der Bezeichnung Kiwikmonument bekannten Hügel entnommen sind, der am Orte auch Bredaröz (Bredahügel) genannt wird, und der im östlichen Schoonen, in Christiaustad-Län, District Albo, Kirchspiel Mälby, gelegen ist, nicht weit vom Cimbrishame, südlich von Kiwik und nördlich von dem Landgute Esperöd. Ein in früherer Zeit sehr bedeutend gewesener Steinkegel, aus kleinen Rollsteinen geschaffen, deckte dort eine längliche, beinahe viereckige Steinkammer von 4,08 Meter Länge und 0,94 Meter Breite und Höhe, die von Süden nach Norden gebaut gerichtet ist, und deren Seitenwände aus ziemlich rohen Steinplatten von 2,55 Meter Höhe, 0,94 Meter Breite und 21,0 oder 23,5 Centimeter Dicke, die mit eingehakten und eingeriebenen Figuren versehen sind, bestehen.
In Bezug auf die Zeit, in der dies Denkmal errichtet worden, ist mit Sicherheit nur anzunehmen, dass es andere Völker gewesen sein müssen, als die Thor- und Odinsverehrer, von denen man weiß, dass sie die Felsenbilder in Bohuslän und die Runensteine schufen, welche hier ein Siegesdenkmal bauten, und schließlich dasselbe vor den Augen der Mit- und Nachwelt zu verbergen suchten.
Unsere Abbildung nun zeigt uns die beiden letzten nach Süden hin an der Westseite befindlichen Steinplatten dieser Steinkammer, und zwar so, dass der darauf dargestellte Siegeszug der Sonne zu sich bewegend erscheint. Alle anderen Platten enthalten für uns unwesentliche symbolische Bilder, während diese die historischen bieten, um derentwillen das Denkmal entstanden zu sein scheint. Es ist ein Siegesfest mit den dazu gehörigen Menschenopfern, was man zu versinnbildlichen gesucht hat. Der in der Mitte der ersten Platte befindliche Opferkessel scheint der Zentralpunkt der Szene zu sein, an dem auch die in oberer Reihe abgebildeten Pauken ihren festen Platz gehabt zu haben scheinen. Hierhin bewegt sich der obere Zug, an dessen Spitze ein Tänzer mit langem Gewande sich befindet, hinter dem erst ein eine Handpauke behandelnder Musiker und dann zwei Hornbläser mit verschieden gestalteten Instrumenten der Art folgen.
Nach allem bisher bekannt Gewordenen ist anzunehmen, dass diese Monumente wie die auf denselben abgebildeten Blasinstrumente dem assyrischen Kulturfelde entstammen, worüber Wissbegierige das Ausführlichere in Nilsons Werk "Das Bronzenalter" (Hamburg, bei Meissner, 1869) finden können. Nimmt man nun an, das dies Siegesdenkmal etwa 1000 v. Chr. errichtet wurde und beachtet ferner, wie zur Wanderung dieser Kulturprodukte von Assyrien bis nach Schweden gewiss längere Zeit notwendig waren, so wird man klar erkennen, dass jede weitere Entdeckung über damals in Europa gebräuchliche Blasinstrumente eine Aufhellung über die im Mutterlande geben muss, deren Tragweite gar nicht zu ermessen ist, da an Ort und Stelle bisher gefundene Monumente gerade in dieser Zeit eine musikgeschichtlich weite Lücke lassen.
Sehen wir deshalb diese Instrumente etwas näher an und vergleichen mit denselben die in den Torfmooren Nordeuropas gefundenen, nach bisherigem Wissen aus derselben Zeit stammenden derartigen Blasinstrumenten, so bemerken wir, dass dieselben ihrer Form nach entweder dem Auerochsenhorn gleichen, oder mehrfach schön gewunden sind, und ihrer Ausstattung nach eine hohe Kunstfertigkeit der Instrumentenbauer damaliger Zeit dokumentieren. Aus gegossenen bronzenen Teilen zusammengefügt, offenbaren, wie beifolgendes Bild zeigt, die einzelnen Stücke dieser Blasinstrumente eine Kunsthöhe, selbst in Bezug auf die Ornamentik derselben, die uns noch heute Bewunderung entlockt. […] [Mendel Musikalisches Lexikon 1872, 31ff]