A cappella, alla cappella (1865)

A cappella, alla cappella (im stile alla cappella), auf Capellen- oder Kirchenart, heißt in der alten italienischen Kirchenmusik der strenge oder gebundene Satz für Vokalstimmen allein, ohne alle Begleitung von Instrumenten, welcher überhaupt bis auf die Zeit des Claudio Monteverde (Winterfeld, Gabrieli II. 28ff) in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und bis zum allmählichen Aufkeimen des dramatischen Stiles die allgemein herrschende Schreibart war, und dessen auch noch nach dieser Zeit und nachdem man die Dissonanzen freier zu behandeln sowie den stile concertato (und mit ihm auch den Gebrauch der Bogeninstrumente um 1650) in die Kirche einzuführen angefangen hatte, die wahren Meister des Kirchenstiles in der Kirchenmusik ausschließlich sich bedienten. Von allen freieren Stilarten - als dem genannten kirchlichen konzertierenden, dem Madrigal-, dramatischen, Instrumental- etc. Stile - unterschied er sich durch eine durchaus strenge Behandlung der Dissonanzen und sonstige genaue Beobachtung aller Gesetze des strengen Kontrapunktes, ohne auch in späterer Zeit von den Neuerungen, welche mit Ende des 16. Jahrhunderts aufkamen und schnelle Verbreitung fanden, Gebrauch zu machen […]. Man findet ihn hie und da auch Palestrinastil genannt, weil die Werke dieses Meisters als für alle Zeiten geltende Vorbilder des wahren kirchlichen Vokalsatzes angesehen wurden.

Gegenwärtig bedient man sich des Ausdruckes a oder alla cappella, ohne seine Beziehung auf die gebundene Schreibart und den strengen Kirchenstil immer zu gedenken, schlechthin zur Benennung eines jeden beliebigen, nur von Sängern (ohne Instrumente) ausgeführten Satzes, gleichviel ob kirchlich oder weltlich, streng oder frei gearbeitet.

Wurden in älterer Zeit a cappella gesetzte Tonstücke von der Orgel oder auch von anderen Instrumenten begleitet, so geschah es nur in einfachen Unisono-Verdopplungen. Entweder verdoppelte man alle Stimmen oder verstärkte nur den Cantus firmus durch Zinken [ein Blasinstrument], Pauken und andere Blasinstrumente, ersetzte auch wohl eine fehlende Gesangstimme durch ein Instrument, trug auch ganze ursprünglich für Gesang geschriebene Chöre auf Instrumenten vor. Doch blieb die zu einem a cappella Chore hinzugefügte Instrumentalmusik stets nur Ausfüllung oder Verstärkung, war niemals obligat. In begleitenden Kirchenmusiken, in denen der Ausdruck a cappella auch vorkommt, bedeutet er daher, dass die Instrumente mit den Singstimmen im Einklange gehen, nur Verdopplungen des Gesangchores bilden sollen. Wirkten mehrere geschlossene Chöre, und zwar Vokal- und Instrumentalchöre, zusammen, so nannte man den Vokalchor, als den eigentlichen Hauptchor, Cappella (so z. B. in den Cantiones sacras von Joh. Gabrieli, 1597). Chorus pro Capella [sic] hießen ursprünglich bei den Italienern große und vielfach besetzte Chöre, und zwar besonders Ripienchöre mit oder ohne Instrumente, die an geeigneten Stellen als Verstärkung und Erhöhung des Effekts zu den übrigen Chorstimmen oder Chören hinzutraten. Solch ein großer Ripienchor führte diesen Namen pro capella, "weil der ganze Chorus vocalis oder die ganze Capelle denselben im Chor und von den andern Choren ganz abgesondert musiciret, und gleichsam als auf einer Orgel das volle Werk, mit einstimmt. Welches dann ein trefflich Ornamentum, Pracht und Prangen von sich giebt: dieweil dieser Chorus fast meistentheils zugleich mit einfällt, wenn die anderen Chore alle zusammenkommen." (Praetorius, Syntagma III. 113). [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 9]