Verdoppelung (1929)
Verdoppelung ist im Tonsatz möglich bei einem einzelnen Ton und bei Tonfolgen. Die Harmonielehre bezeichnet als Verdoppelung im Allgemeinen nur das gleichzeitig mehrfache Ertönen desselben Tones im Einklang oder in der Oktave. Diese Verdoppelung unterliegt beim real mehrstimmigen Satz gewissen Einschränkungen. So sind nicht verdoppelungsfähig die harmonischen Dissonanzen und von den Konsonanzen in der Regel die Terz eines Dreiklanges, besonders wenn sie Leittoncharakter hat, wie z. B. die Terz der Dominante normalerweise stets. Bei scheinkonsonanten (siehe dort) Akkorden richtet sich die Verdoppelungsfähigkeit der Akkordtöne dementsprechend nach ihrer Zugehörigkeit zum funktionellen Grundakkord, den der scheinkonsonante vertritt. So ist z. B. der zu verdoppelnde Ton im Neapolitanischen Sextakkord (s. d.) oder beim leitereigenen Trugschluss (siehe Schluss) nur scheinbar Terz, in Wahrheit Unterquinte bzw. Prime der eigentlichen Funktion (s. d.).
Die Verdoppelung von Tonfolgen fällt in der Theorie des mehrstimmigen Satzes unter die Parallelen (siehe dort), soweit nicht ein Unisono (s. d.) beabsichtigt ist. Nicht zu diesen Parallelen gehören jedoch Stimmverdoppelungen in der Oktave, wie sie beim Klavier und im Orchestersatz üblich sind, auch nicht die Verdoppelungen mit anderen Intervallen in der neueren Satztechnik. Bei diesen handelt es sich vielmehr um die Anwendung von Klangwirkungen, die in den Mixturen (s. d.) der Orgel ein Vorbild haben. Etwas Ähnliches waren auch schon die dem schulmäßigen Kontrapunkt längst geläufigen Begleitstimmen im Terz- oder Sextabstand, die ja ebenfalls nicht als eigentliche Stimmen galten und bei denen sich auch rein linear aufzufassende Zusammenklänge ergeben konnten. Vgl. Riemann, Lehrb. d. Kontrapunkts, §§ 12, 15, 16. [Einstein/Riemann Musiklexikon 1929, 1920]