Tenor, Tenore, Tenorstimme (1865)

Tenor, Tenore.

  1. Der dem mehrstimmigen Discantus, den Messen, Motetten und anderen kontrapunktischen Sätzen der alten Kontrapunktisten unterliegende, entweder aus dem Gregorianischen Cantus planus oder auch (in Messen) aus der weltlichen Musik entlehnte feste Gesang oder Cantus firmus; Tenor (von tenere) genannt, insbesondere als festgehaltener Gesang, während die anderen Stimmen frei kontrapunktierten oder diskantierten, möglicherweise auch, weil er doch gemeinhin in ruhig gehaltenen Noten fortschritt, während der Kontrapunkt mehr bewegt war. Die den Tenor führende Stimme war aber nicht die Oberstimme, sondern im vierstimmigen Satze die zweittiefste, also die höhere Gattung der männlichen Stimme, die daher den Namen Tenor (franz. Taille) erhalten hat.
  2. Die Tenorstimme, hat einen Umfang vom kleinen c bis zum eingestrichenen g und a; zwar erreicht sie nicht selten in der Höhe das b' und c' (Brustregister), doch soll man im Chore das a' nicht überschreiten, indem man auf die höheren Töne nicht mit Sicherheit rechnen kann.Man unterscheidet zwei nach Klangcharakter und Umfang etwas voneinander abweichende Arten der Tenorstimme: den lyrischen Tenor, von weichem schmelzendem Klange und mehrer Höhe, besonders für empfindungsvolle kantable Partien; und den Heldentenor, von kräftigerem männlichem Charakter, dem Klange nach dem Bariton sich nähernd, mehr für leidenschaftlichen und heroischen Vortrag geeignet; an Höhe erreicht er den lyrischen Tenor nicht immer, dafür ist seine tiefere Lage sonorer, überhaupt sein ganzer Klang markiger.

    Notiert wird der Tenor [um 1865] eigentlich im C-Schlüssel auf der vierten Linie, in neuerer Zeit aber gewöhnlich im Violinschlüssel mit Transposition um eine Oktav tiefer. Im selbständigen oder den Chor begleitenden Orchester wird er von der Viola gebildet oder durch sie verdoppelt.

[Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 832]