Pfeife (1882)
Pfeife, ein tonerzeugendes Werkzeug, das in seiner einfachsten Gestalt im gewöhnlichen Leben wie in verbesserter Form bei der Instrumentalmusik vielfach zur Anwendung kommt. Die kleinen Pfeifen, welche sich die Kinder aus der Weidenrinde schneiden, die Hunde-, Jagd-, Boots- oder Signalpfeifen sind, wie die Flöte, die Querpfeife oder die Orgelpfeife, nach denselben natürlichen Gesetzen konstruiert. Alle diese Pfeifen bestehen aus einer Röhre, in welche über einen Kern Luft geblasen wird, die aber sofort hinter dem Kern durch ein Windloch wieder ausströmt. Der Ton wird hier durch die schwingende Luftsäule erzeugt und die Höhe desselben durch die Zahl der Schwingungen ebenso bedingt, wie bei den Saiteninstrumenten.
Auf die Besonderheit des Klanges ist das Material, aus welchem die Pfeifen gemacht werden, von wesentlichstem Einfluss. Ein kurzes Röhrchen aus Weidenrinde, aus der man zur Zeit des Saftes das Holz gelöst und herausgezogen hat, gibt, wenn man es platt gedrückt zwischen die Lippen nimmt und andrückt, einen schreienden, schnarrenden Ton. Indem die Hirten die langen Röhren aus Rindenstreifen mit einer Art Mundstück und Schalltrichter versahen, gewannen sie die Schalmei, die dann die Mutter eines zahlreichen Geschlechts von Blasinstrumenten wurde: die Bombarte oder Pommer, die Krummhörner, Racketten, Fagotte, Sordunen, Bassanelli und Schryari, aus denen dann wieder unsere Orchesterinstrumente, wie die Klarinette und Oboe, das Fagott und Bassetthorn hervorgingen. Flöte und Orgelpfeifen stammen direkt von jener ursprünglichen Naturpfeife ab, als deren veredelte Nachahmung sie erscheinen (siehe Orgel und die erwähnten Instrumente). [Reissmann Handlexikon 1882, 375]