Musiklexikon: Was bedeutet Perfectio?

Perfectio (1929)

Perfectio (lateinisch) hieß

  1. in der Mensuralmusik (siehe dort) im 12.-13. Jahrhundert der Wert einer perfekten Longa, der damals dem entsprach, was wir heute einen Takt nennen (die Theorie dieser Zeit kennt nur den dreiteiligen Takt).
  2. Seit dem 14. Jahrhundert überhaupt die dreiteilige Geltung einer Note (Mensura perfecta). Sie hatte bei vorgeschriebener dreiteiliger Taktart nicht bedingungslos statt, d. h. die Brevis galt z. B. im Tempus perfectum nicht immer drei Semibreven, sondern es war damit nur gesagt, dass die dreizeitige Brevis die Takteinheit bildete. Ebenso bedeutete die Prolatio major, dass die drei Minimen (Halbe) geltende Semibrevis die Takteinheit bildete. Wann eine Note trotz für sie vorgezeichneter Dreizeitigkeit doch nur zweizeitig galt, schrieben die Regeln der Imperfizierung (siehe dort) vor. Perfekt war sie, wenn ihr entweder wieder eine derselben Gattung folgte (z. B. im Tempus perfectum der Brevis eine Brevis) oder wenn ihr das Punctum perfectionis beigegeben war (siehe Punkt), oder wenn ihr zwei nicht durch das Punctum divisionis geschiedene oder drei (aber nicht mehr) der nächst kleineren Gattung folgten.
  3. In den Ligaturen (siehe dort) die Geltung der Schlussnote (Ultima) als Longa, welche statthatte, wenn bei höherer vorletzter Note nicht die Figura obliqua (siehe dort) zur Anwendung kam, bei tieferer vorletzter, wenn die letzte einen herabgehenden Strich rechts hatte (so seit dem 15. Jahrhundert; im 12.-14. Jahrhundert bedeutete dieser Strich die Plica), und man stellte die letzte Note, wenn sie perfekt sein sollte, senkrecht über die vorletzte. Vgl. Ligatur.

[Einstein/Riemann Musiklexikon 1929, 1366f]

Perfektion (1882)

Perfektion (lat. [sic]) war in der Mensuralmusik (siehe dort)

  1. die dreiteilige Geltung einer Note (Mensura perfecta). Dieselbe hatte indes bei vorgeschriebener Dreiteiligkeit nicht bedingungslos statt, d. h. die Brevis galt z. B. im Tempus perfectum nicht immer drei Semibreven, sondern es war damit nur gesagt, dass die dreiteilige Brevis die Takteinheit bildete, eine zweiteilige (imperfekte) also den Takt nicht ausfüllte, sondern zur Ergänzung noch des Werts einer Semibrevis bedurfte. Wann die Note trotz vorgezeichneter Dreiteiligkeit für ihre Gattung doch nur zwei Teile galt, schrieben die Regeln der Imperfektion (siehe dort) vor. Perfekt war sie, wenn ihr entweder wieder eine derselben Gattung folgte (also im Tempus perfectum der Brevis eine Brevis, im Modus perfectus der Longa eine Longa), oder wenn ihr das Punctum perfectionis beigegeben war (siehe Punkt), oder wenn ihr zwei oder drei (aber nicht mehr) der nächst kleineren Gattung folgten.
  2. In den Ligaturen (siehe dort) die Geltung der Schlussnote (Ultima) als Longa, welche dann statthatte, wenn bei höherer vorletzter Note nicht die Figura obliqua (siehe dort) zur Anwendung kam, bei tieferer vorletzter, wenn die letzte einen herabgehenden Strich rechts erhielt (seit dem 15. Jahrhundert; im 12.-14. Jahrhundert bedeutete dieser Strich die Plica, und man stellte die letzte Note, wenn sie perfekt sein sollte, senkrecht über die vorletzte). Vergleiche unter "Ligatur" die Beispiele mit schwarzer Note.

[Riemann Musik-Lexikon 1882, 688]