Ostinato (1929)

Ostinato (italienisch, vom lateinischen obstinatus, "hartnäckig"), ist der technische Ausdruck für die fortgesetzte Wiederkehr eines Themas mit immer veränderter Kontrapunktierung. Von sehr hohem Alter ist der obstinate Bass (Basso ostinato, französisch: Basse contrainte), der seit dem 13. Jahrhundert fortgesetzt eine hochbedeutsame Rolle spielt. Vgl. Pes, Follia, Ground, Chaconne, Passacaglia.

Der Ursprung des Ostinato ist wohl in den bis ins 12. Jahrhundert zurückreichenden, über kurze Choralmotive kontrapunktierten Motets (siehe dort) zu suchen. Durch die Stilwandlung der Ars nova des 14. Jahrhunderts zeitweilig zurückgedrängt, gelangte der Ostinato in den Messen und Motetten der Niederländer im 15. und 16. Jahrhundert zu neuer Bedeutung als Durchführung einer Choralmelodie oder auch eines Volksliedes im Tenor, aber nicht immer unverändert, sondern oft mit allerlei Modifikationen des Taktes, in verlängerten oder verkürzten Notenwerten, in der Umkehrung, im Krebsgang oder von anderen Tonstufen aus (in anderen Kirchentönen) usw. Vgl. Kanon.

Auch instrumental gelangte der Ostinato bereits noch im 16. Jahrhundert zu großer Bedeutung, so in den Gambenimprovisationen der Spanier (vgl. Ortiz) und den Fantasias, Glosas und Differencias der spanischen Lautenisten und Organisten, noch mehr im 17. Jahrhundert bei den italienischen Kanzonenkomponisten (Salomone Rossi, Frescobaldi usw.) und den englischen Virginalisten, auch in den Divisions upon a ground der Gamben- und Violinvirtuosen. Seine höchste Blüte erreicht er aber in der italienischen Kantate und in den Opernarien mit Ostinato gegen 1700.

Der Ostinato spielt in der "Neuen Musik" des 20. Jahrhunderts wieder eine bedeutende Rolle. Er findet sich in ihr mit weit größerer Freiheit als jemals früher und hat dann häufig mehr nur den Charakter eines in Bewegung aufgelösten Orgelpunktes (siehe dort); in polytonaler Musik ist er vorzugsweise in diesem Sinne angewandt. Vgl. H. Riemann, Basso ostinato und Basso quasi ostinato (191O in der Liliencron-Festschrift). [Einstein/Riemann Musiklexikon 1929, 1320]